Candidate Experience: Schlüssel zu positiven Erfahrungen der Bewerber
Im aktuellen Arbeitnehmermarkt können es sich Jobsuchende leisten, wählerisch zu sein. Entsprechend wichtig ist es für Arbeitgeber, qualifizierte Bewerber mit positiven Erfahrungen zu begeistern. In der Praxis ist der Bewerbungsprozess für Jobsuchende jedoch oft zeitraubend und anstrengend – und mitunter auch ernüchternd. Warten sie wochenlang auf eine Reaktion oder werden sie im Job Interview mit unangemessenen Fragen bombardiert, vergeht den Kandidaten verständlicherweise schnell die Lust auf das Unternehmen.
In einem Arbeitsmarkt, in dem qualifizierte Fachkräfte sehr gefragt sind, können es sich Arbeitgeber nicht leisten, die Candidate Experience außer Acht zu lassen. Erfahren Sie hier, warum die Candidate Experience wichtig ist, wie Sie diese verbessern können und welche Rolle die Technologie dabei spielt.
Definition: Candidate Experience
Der Begriff Candidate Experience bedeutet auf Deutsch so viel wie „Bewerbererfahrung“. Man fasst damit alle Erfahrungen zusammen, die Bewerber im Kontakt mit einem Unternehmen machen. Dazu gehört die Wahrnehmung des Unternehmens selbst, ebenso wie der Kontakt mit den Ansprechpartnern des Unternehmens. Nicht nur offensichtliche Touchpoints, wie etwa die Einsendung einer Bewerbung oder ein Vorstellungsgespräch, beeinflussen die Candidate Experience, sondern auch indirekte Kontakte wie etwa die Empfehlung von Freunden und Bekannten.
Die Candidate Experience beginnt bereits deutlich vor dem Versand einer Bewerbung: Schon die erste Wahrnehmung des Unternehmens sollte positiv ablaufen. Entsprechend wichtig ist es für Arbeitgeber, die möglichen Berührungspunkte mit Jobsuchenden zu identifizieren und diese nachhaltig zu optimieren. Es gibt nur eine Chance für den ersten Eindruck – das gilt auch für Arbeitgeber.
Bedeutung der Candidate Experience
Die Bewerber-Experience hat direkte Auswirkungen auf den Erfolg, den Arbeitgeber mit ihrem Recruiting haben. Zufriedene Bewerber können wie Multiplikatoren wirken, da sie anderen von ihren positiven Erfahrungen berichten. Ebenso ist es jedoch möglich, dass sie der Reputation eines Arbeitgebers nachhaltig Schaden zufügen, indem sie anderen potenziell interessierten Menschen von negativen Erfahrungen berichten.
Für Arbeitgeber lohnt es sich in vielerlei Hinsicht, sich um eine positive Candidate Experience zu bemühen:
- Die Jobsuchenden brechen den Bewerbungsprozess nicht vorzeitig ab und stehen somit bis zur letztendlichen Entscheidung für einen Kandidaten zur Verfügung. So hat der Arbeitgeber eine größere Auswahl an qualifizierten Bewerbern.
- Eine positive Erfahrung während der Candidate Journey stärkt das Employer Branding und die Arbeitgeberattraktivität. So ziehen Unternehmen echte Top-Talente an.
- Sogar die Produktmarke kann von einer guten Candidate Experience profitieren, indem Kandidaten positiv über das Unternehmen sprechen.
- Ist ein Arbeitgeber für die positiv gestaltete Candidate Journey bekannt, kann dies zu einer größeren Anzahl von Bewerbungen sowie zu einer besseren Qualität der Kandidaten führen. Grund dafür ist, dass Menschen erwarten, dass eine positive Candidate Experience auch einen hohen Stellenwert der Mitarbeiter bedingt.
- Arbeitgeber können Stellen schneller besetzen und sparen so wertvolle personelle und finanzielle Ressourcen.
Phasen der Candidate Journey
Die Candidate Experience beginnt nicht erst mit dem Einreichen der Bewerbung. Oft findet der erste direkte oder indirekte Kontakt mit dem Unternehmen bereits deutlich früher statt: Wenn der Kandidat zum ersten Mal von dessen Existenz erfährt. Gerade bei großen, bekannten Unternehmen kann dies mitunter schon Monate oder Jahre sein, bevor ein Bewerber überhaupt auf Jobsuche geht. Deshalb sollten Arbeitgeber alle möglichen Touchpoints optimieren, um potenzielle Jobsuchende schon frühzeitig zu überzeugen – sei es durch gelungene Werbung, hervorragende Produkte oder Social-Media-Auftritte.
Die wichtigsten Touchpoints finden sich jedoch in den sechs Phasen der Candidate Journey:
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1. Anziehungsphase
In dieser Phase nimmt der Jobsuchende das Unternehmen erstmals als potenziellen Arbeitgeber wahr. Er liest vielleicht eine Stellenanzeige des Arbeitgebers, kommt auf einer Jobmesse ins Gespräch oder fragt einen Freund nach Ideen, wo er sich bewerben könnte. Dieser initiale Kontakt verläuft so positiv, dass der Kandidat weitere Informationen einholen möchte.
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2. Informationsphase
Der Kandidat informiert sich zusätzlich über den Arbeitgeber. Eine wichtige Anlaufstelle ist die Website des Unternehmens, die Informationen zu den Produkten und Dienstleistungen liefert. Im Karrierebereich der Seite erhalten Jobsuchende Informationen zu offenen Stellen, Einblicke in das Unternehmen und Antworten auf mögliche Fragen. Um eine positive Candidate Experience zu erzeugen, präsentieren sich Arbeitgeber authentisch und geben neben Positivem ruhig auch Schwächen zu. Das macht sympathisch und zeugt von der Fähigkeit zur Reflexion.
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3. Bewerbungsphase
Die Informationen haben überzeugt: Der Kandidat ist bereit, seine Bewerbung einzureichen. Idealerweise ist das einfach und mit geringem Zeitaufwand möglich. Die meisten Jobsuchenden bevorzugen die Bewerbung per E-Mail. Soll sie über ein Online-Formular eingereicht werden, ist dieses unbedingt möglichst einfach gestaltet. Insbesondere der Upload von Dateien geht einfach und schnell vonstatten. Der Kandidat erhält im Anschluss eine Bestätigungs-E-Mail. Diese informiert ihn idealerweise auch gleich darüber, bis wann er mit einer Rückmeldung rechnen kann.
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4. Auswahlphase
Das Unternehmen wählt nun die am besten erscheinenden Kandidaten aus und lädt sie zum Vorstellungsgespräch ein. Für eine positive Candidate Experience sind eine höfliche Begrüßung, eine angenehme Atmosphäre und eine gute Vorbereitung von großer Wichtigkeit. Die Personalverantwortlichen stellen das Unternehmen vor, beantworten alle wichtigen Fragen und geben dem Jobsuchenden ausreichend Gelegenheit, mehr über sich selbst zu erzählen. Schnelligkeit ist der Schlüssel zu einem positiven Eindruck. Idealerweise vergehen nur wenige Tage, bis der Kandidat erfährt, wie es weitergeht.
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5. Onboardingphase
Werden sich der Kandidat und der Arbeitgeber einig, schließen sie einen Arbeitsvertrag ab. Damit wäre zwar die Candidate Journey theoretisch abgeschlossen. Praktisch schließt sich jetzt die Phase des Onboardings an. Während dieser Zeit ist es unverändert wichtig, den Kontakt zu halten, freundlich zu sein und dem Neuankömmling das Gefühl zu geben, dass sich alle auf ihn freuen.
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6. Bindungsphase
Je nach Unternehmen dauert es mehrere Wochen bis Monate, bis der neue Kollege voll und ganz angekommen ist und sich als fester Bestandteil des Teams fühlt. Erst wenn dieser Zustand erreicht ist, bindet sich der Mitarbeiter ans Unternehmen und die Gefahr eines Absprungs während der Probezeit sinkt. Die Candidate Experience geht nun in eine hoffentlich positive Employee Experience über.
Häufige Fehler
In der Bewerber-Experience kommt es in vielen Unternehmen zu denselben Fehlern. Am häufigsten bemängeln Jobsuchende folgende Erscheinungen:
- lange Wartezeiten bis zur nächsten Reaktion
- unklare Kommunikation während der Candidate Journey
- kein Feedback nach dem Vorstellungsgespräch
- komplizierte Online-Bewerbungsformulare und Probleme beim Upload von Unterlagen
- mangelnde Transparenz zum Status der Bewerbung
- fehlende Optimierung der Karrierewebsite auf mobile Endgeräte
- mangelnde Freundlichkeit im Umgang mit Bewerbern
- unklare oder zu blumige Stellenbeschreibung
- unpersönliche Kommunikation mit Hilfe automatisierter Dialoge
- unpersönliche Absagen ohne Begründung bzw. gar keine Absage
- unangenehme Fragen im Bewerbungsgespräch
Eine schlechte Candidate Experience kann dem Unternehmen direkt schaden. Unzufriedene Kandidaten erzählen Freunden und Bekannten davon oder hinterlassen sogar öffentlich einsehbare Bewertungen auf Arbeitgeber-Bewertungsplattformen. Deshalb sollten Arbeitgeber jede Gelegenheit ergreifen, um ihr Candidate Experience Management auf eine solide Basis zu stellen.
Touchpoints im Candidate Experience Management
Es gibt eine Vielzahl von Berührungspunkten, die im Candidate Experience Management eine Rolle spielen. Die Digital Candidate Journey beginnt im Internet. Mögliche Anlaufstellen beim digitalen Recruiting sind die Website des Unternehmens, Social-Media-Profile, Veröffentlichungen in Onlinemedien oder Newsletter des Unternehmens. Daneben gibt es viele weitere Touchpoints, die es zu optimieren gilt:
- Erzählungen von Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterempfehlungen
- Berichte von Corporate Influencern
- Events des Unternehmens (z. B. Tag der offenen Tür)
- Berichte in der lokalen Presse oder in Fachmagazinen
- Karrieremessen
- Einreichen der Bewerbung
- Eingangsbestätigung des Unternehmens
- Einladung zum Vorstellungsgespräch
- Gespräch für die Gehaltsverhandlung
- Unterzeichnung des Arbeitsvertrags
Arbeitgeber sollten jeden Berührungspunkt nutzen, um die Candidate Experience positiv zu gestalten. Idealerweise ist der Kontakt bereits von der ersten Minute an positiv geprägt und sorgt für eine offene Haltung auf beiden Seiten.
Lesetipp: Preboarding
Lesen Sie, warum diese Phase wichtig ist, obwohl sie oftmals zu kurz kommt.
mehr erfahrenCandidate Experience: Best Practices
Um die Bewerber-Experience zu verbessern, gibt es viele Ansatzpunkte. Die folgenden Strategien und Best Practices helfen Arbeitgebern, besser auf ihre Kandidaten einzugehen:
- Kommunikation
Die Kommunikation ist transparent und klar. Idealerweise wissen die Kandidaten zu jeder Zeit, was im Hintergrund gerade passiert, welche Schritte folgen und wann sie wieder mit einer Rückmeldung rechnen dürfen.
- Geschwindigkeit
Lange Wartezeiten sind keine Option. Idealerweise dauert es jeweils nur wenige Tage, bis die nächsten Schritte anstehen.
Umgang: Bewerber sind keine Bittsteller und werden auch nicht so behandelt. Ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe und Freundlichkeit prägen die Kommunikation und Gespräche.
- Schreiben
Die schriftliche Kommunikation kommt möglichst ohne allgemeine Standardschreiben aus. Sie orientiert sich individuell an den Kandidaten und geht möglichst ehrlich auf Begründungen ein.
- Vorbereitung
Die an der Candidate Journey beteiligten Personen bereiten sich gut auf Gespräche vor, um den Kandidaten offene Wertschätzung entgegenzubringen.
- Erreichbarkeit
Die Personalabteilung ist gut erreichbar und reagiert auf Nachfragen umgehend.
- Einfachheit
Das Unternehmen nimmt Bewerbungen auf verschiedenen Wegen an. Online-Bewerbungsformulare sind möglichst einfach gestaltet, um Barrieren abzubauen.
Candidate Experience & Technologie
Moderne Technologien ermöglichen es Arbeitgebern, ihre Prozesse im Recruiting-Bereich zu optimieren. Ziel ist, die Digital Candidate Journey so zu verbessern, dass lange Wartezeiten der Vergangenheit angehören und eine transparente Kommunikation möglich wird. Eine große Rolle spielen dabei Applicant Tracking Systeme (ATS), gängiger bezeichnet als Bewerbermanagementsysteme. Sie bieten unter anderem folgende Funktionen:
- Verwaltung und Speicherung eingehender Bewerbungen
- Automatisierte Unterstützung bei der Bewerberauswahl (z. B. mithilfe von Matching-Funktionen und Algorithmen)
- Zentralisierte Kommunikation per E-Mail oder über ein Bewerberportal
- Automatisierte Terminabsprachen für Vorstellungsgespräche
- Funktionen für ein durchdachtes Onboarding
- Integration zu anderen HR-Systemen
Zudem gibt es inzwischen Softwarelösungen, um etwa mobile Bewerbungen zu ermöglichen. Jobsuchende können ihre Bewerbung einfach über ihr Smartphone oder Tablet einreichen, je nach System oftmals sogar auf Knopfdruck mit einem vorab hinterlegten Profil.
KI-Anwendungen im Recruiting verbreiten sich zunehmend. Sie unterstützen im Bewerbermanagement bei einer fundierten Vorauswahl geeigneter Kandidaten und sparen somit viel Zeit ein. KI-Chatbots beantworten Bewerbern zu jeder Tages- und Nachtzeit Fragen und ermöglichen so eine gute Erreichbarkeit des Unternehmens. Auch die automatisierte Terminplanung wird durch künstliche Intelligenz möglich. Insgesamt erleichtert sie den Recruiting-Prozess und verbessert die Candidate Experience.
Candidate Experience messen
Es ist nicht ganz einfach, die Zufriedenheit von Menschen in Zahlen auszudrücken. Die beste Möglichkeit, um die Candidate Experience zu messen, sind Befragungen. Arbeitgeber versenden dazu sowohl eingestellten Kandidaten als auch Bewerbern, die eine Absage erhalten haben, einen Fragebogen. Darin stellen sie ihnen konkrete Fragen zur Candidate Journey, zum Beispiel:
- Wie haben Sie den Bewerbungsprozess erlebt?
- Was sollten wir verbessern?
- Was hat Ihnen besonders gefallen?
- Wie aussagekräftig war das Stellenangebot?
- Würden Sie sich zukünftig wieder bei unserem Unternehmen bewerben?
- Würden Sie Freunden und Bekannten empfehlen, sich bei uns zu bewerben?
Die Ergebnisse solcher Befragungen lassen sich über den „Net Promoter Score“ (NPS) in einen Zahlenwert umrechnen. So wird die Zufriedenheit der Bewerber vergleichbar. Dabei werden die rundum zufriedenen Bewerber zu den unzufriedenen ins Verhältnis gesetzt.
Die Digital Candidate Journey lässt sich mitunter auch anhand bestimmter Kennzahlen zur Nutzung der Karrierewebsite bestimmen. So geben etwa Besucherzahlen, die Verweildauer und die sogenannte Bounce Rate (Absprungrate) Aufschluss darüber, wie sich potenzielle Bewerber auf Ihrer Website verhalten.
Fragen und Antworten
Hier finden Sie Antworten auf Fragen zum Thema „digitale Transformation“.
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Was ist die Candidate Experience?
Als Candidate Experience bezeichnet man die Summe aller Erfahrungen, die ein Jobsuchender mit einem Unternehmen macht, bei dem er sich bewirbt.
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Was ist eine positive Candidate Experience?
Bei einer positiven Candidate Experience fühlt sich der Bewerber während des Bewerbungsprozesses wohl und willkommen, macht positive Erfahrungen und bekommt einen guten ersten Eindruck vom Unternehmen.
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Was macht einen guten Bewerbungsprozess aus?
Ein guter Bewerbungsprozess zeichnet sich durch eine klare Kommunikation und einen hohen Grad an Transparenz aus. Rückmeldungen zu den nächsten Schritten erfolgen zügig und der Umgang mit den Kandidaten erfolgt stets auf Augenhöhe und mit Respekt. Der Arbeitgeber verzichtet dazu auf standardisierte Schreiben und geht individuell auf den Bewerber ein.