Kennen Sie das? Es ist kurz vor Feierabend und Sie haben schon Mühe, Ihr Tagespensum noch rechtzeitig abzuarbeiten. Nun fragt Sie der Chef oder ein Kollege, ob Sie nicht noch schnell eine Kleinigkeit für ihn übernehmen können. Sie wissen genau, dass die Kleinigkeit keine ist und Sie locker zwei Stunden kosten wird. Dennoch – Grenzen setzen ohne zu verletzen scheint Ihnen unmöglich. Und während Sie noch darüber nachdenken, was aus Ihrer Verabredung zum Abendessen werden soll, hören Sie sich plötzlich sagen: „Ja, klar – kein Problem.“ Informieren Sie sich in folgendem Beitrag, wie Sie künftig Grenzen setzen bei der Arbeit.

Nein sagen am Arbeitsplatz: darum lohnt es sich

Arbeiten ohne Grenzen? Das ist der sicherste Weg, an den Rand der eigenen Leistungsfähigkeit zu gelangen. Wer seine Arbeit ohne übermäßige Belastungen erledigen will, kommt nicht umhin, ab und zu seine Belastungsgrenzen zu kommunizieren und „Nein“ zu sagen. 

Grenzen setzen im Job: Obwohl viele Beschäftigte innerlich davor zurückschrecken, gibt es dafür eigentlich keinen praktischen Grund. Mit Egoismus hat dies nichts zu tun.

Portrait einer Frau am Laptop, die lächelnd zur Seite blickt
Portrait einer Frau am Laptop, die lächelnd zur Seite blickt

Grenzen regeln das soziale Zusammenwirken von Menschen immer und überall. Seine eigenen Grenzsetzungen genauso zu respektieren wie die der anderen, sollte eigentlich ganz normal sein. Um Grenzlinien als weniger schwierig wahrzunehmen, hilft es, sich zu vergegenwärtigen, wo Menschen im Berufsalltag ans Limit stoßen. 

Diese Grenzen setzen bei der Arbeit den Rahmen, in dem alle Beteiligten sich bewegen:

  • Persönliche Grenzen
    Qualifikation, Belastbarkeit, geistige und körperliche Fähigkeiten
  • Zeitliche Grenzen
    Vertraglich vereinbarte Arbeitszeit, Überstundenregelungen und objektive Auslastung von Mitarbeitern
  • Räumliche Grenzen
    Unterschiedliche Arbeits- und Einsatzorte setzen unumstößliche Grenzen
  • Mentale Grenzen
    Umgang mit Stress und Gefühlen und die Fähigkeit, professionelle Distanz zu wahren
  • Sachliche Grenzen
    Definiert zum Beispiel durch Verantwortungsbereich und Stellenbeschreibung
  • Ethische Grenzen
    Grundsätze zum Umgang mit Informationen, Fairness und Respekt gegenüber anderen, Loyalität gegenüber Kollegen und Arbeitgeber
  • Legale Grenzen
    Allgemeine sowie berufsspezifische Gesetze

Neben diesen Grenzen am Arbeitsplatz gibt es eine Reihe weiterer, die jeweils in bestimmten Situationen eine wichtige Rolle spielen: In Meetings und Teamarbeit sind Grenzen wichtig für die Redezeit, den Respekt vor verschiedenen Meinungen und die Sicherstellung einer effizienten Arbeitsweise.

In der Führung und im Management beziehen sie sich auf eine angemessene Delegierung, klare und höfliche Kommunikation der Erwartungen sowie auf die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Mitarbeiter. Bei Überstunden und Arbeit außerhalb der regulären Arbeitszeit gelten Limits hinsichtlich der Arbeitslast, der Einhaltung von Arbeitszeit-Gesetzen und der Förderung einer gesunden Work-Life-Balance.

Nein sagen im Job

Klar ist: Grenzen bestimmen den Arbeitsalltag völlig unabhängig davon, ob die Betroffenen sie wahrnehmen oder nicht. Werden Grenzen bewusst oder unbewusst verletzt, leiden einzelne oder alle darunter, die Zufriedenheit und damit auch die Produktivität nehmen ab. Das Arbeitsklima verschlechtert sich. Es wäre also im besten Interesse aller Beteiligten, die Einhaltung der jeweils nötigen Grenzen zu überwachen und gegebenenfalls korrigierend mit einem entschiedenen Nein einzugreifen.

Doch das passiert überraschenderweise eher selten. Viel öfter bleiben Grenzverletzungen am Arbeitsplatz ohne Reaktion. Entweder bemerkt das Opfer selbst nicht, dass jemand gerade seine Grenzen verletzt hat, oder es hat schlicht keine angemessene Antwort parat. 

Die Sprachlosigkeit vieler Mitarbeiter angesichts solcher Grenzüberschreitungen hat verschiedene Gründe:

  • Angst vor Konflikten 
  • Bedürfnis nach persönlicher Anerkennung
  • Schuldgefühle
  • Allgemeine Unsicherheit

Haben Sie sich vielleicht auch schon gefragt, warum Sie sich immer wieder Überstunden oder eine Urlaubsvertretung aufhalsen lassen, obwohl Sie Ihre Freizeit brauchen? Selbst wenn Sie sich vor einer Auseinandersetzung oder dem Verlust Ihres Arbeitsplatzes fürchten, wäre es hilfreich, wenn Sie dem Chef Grenzen setzen und einmal Nein sagen zum Einspringen.

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Viele Angestellte fühlen sich für das Unternehmen und die Kollegen verantwortlich. Sie entwickeln daher starke Schuldgefühle, wenn sie eine Bitte ablehnen. Dabei haben sie einerseits Mitgefühl mit dem Fragesteller und andererseits das Gefühl, denjenigen nicht im Stich lassen zu dürfen. 

Gleichzeitig ist Hilfsbereitschaft eine lobenswerte Eigenschaft, die schließlich auch Anerkennung bringt. Am Ende eines außerplanmäßigen Arbeitseinsatzes gibt es meistens Lob für die eigenen Fähigkeiten und die außerordentliche Leistungsbereitschaft.

Folgen fehlender Grenzen

Sind Grenzen nicht klar definiert, ist ihre regelmäßige Überschreitung die Folge. 

Entstehen können daraus unter anderem:

  • Überlastung und Stress
    Mitarbeiter fühlen sich überfordert, wenn es keine klaren Grenzen ihrer Arbeitsbelastung gibt.
  • Unzufriedenheit und Demotivation
    Arbeitnehmer sehen keinen Sinn in vermehrten Anstrengungen, sofern sie nicht zu Erfolgserlebnissen, sondern zu weiterer Arbeitsbelastung führen.
  • Fehlende Work-Life-Balance
    Fehlende Erholung und ein unzureichendes Privatleben sorgen für frustrierte Angestellte.
  • Zwischenmenschliche Konflikte
    Die Überschreitung sozialer Grenzen oder zu hohe Arbeitsbelastung sorgen für persönliche Auseinandersetzungen mit Kollegen oder Vorgesetzten. Besonders heikel wird es, wenn Kollegen involviert sind, zu denen eine Freundschaft besteht.
  • Kommunikationsprobleme
    Nicht oder nicht genau kommunizierte Grenzen schaffen Missverständnisse hinsichtlich der Erwartungen. Die Folge sind Fehler, Verzögerungen oder Unzufriedenheit.
  • Vertrauensverlust: Werden Grenzen der Arbeitszeiten oder Ethikstandards verletzt, schwindet das Vertrauen der Mitarbeiter in die Geschäftsleitung.

So gelingt Grenzen setzen in der Arbeit

Grenzen setzen im Job ist eine Fähigkeit, die im Grunde jeder im Beruf benötigt. Alle können lernen, wie sie Grenzen setzen, ohne Schuldgefühle aufzubauen. Wie so oft macht auch hier Übung den Meister. Die erste Übung ist Abgrenzung mit Nein sagen. Wenn Sie beispielsweise mit der Frage konfrontiert sind, zusätzliche Arbeitsaufträge zu übernehmen, fragen Sie sich zuerst:

  • Bin ich zuständig?
  • Ist es meine Verantwortung, dass XY noch nicht erledigt ist?
  • Habe ich Zeit, die Aufgabe zu übernehmen?
  • Will ich das überhaupt?

Wenn jemand Ihnen gegenüber die Grenzen der Höflichkeit überschreitet, grenzen Sie sich ebenfalls ab: Das schlechte Benehmen anderer liegt außerhalb Ihrer Verantwortung. Sie haben keinen pädagogischen Auftrag zur Erziehung Ihrer Mitmenschen. Sie haben lediglich ein Recht darauf, dass sie sich Ihnen gegenüber höflich verhalten.

Wie Sie sich durchsetzen und effektiv Grenzen setzen, ohne zu verletzen, hängt von jedem Einzelfall und seinen Umständen ab. Grundsätzlich ist es aber wichtig, selbst keine Grenzlinien zu übertreten, während Sie Grenzen setzen bei der Arbeit üben. Wenn Ihr Kollege Sie anbrüllt, rechtfertigt das nicht unbedingt, dass Sie zurückbrüllen. Viel mehr erreichen Sie, wenn es Ihnen gelingt, freundlich und sachlich zu bleiben.

Die Suche nach einem Vorbild ist eine weitere gute Lernstrategie, um bei der Arbeit Grenzen zu setzen. Jeder hat diesen einen Kollegen, der immer pünktlich Feierabend macht und sich zusätzliche Arbeit erfolgreich vom Leib hält. Bemerkenswerterweise ist er deshalb noch nicht entlassen oder offiziell getadelt worden. Im Gegenteil, alle respektieren seine Grenzen. Beobachten Sie diesen Kollegen genau und lernen Sie von ihm.

Freundlich Nein sagen – Beispiele

Um zu lernen, Nein zu sagen, sind kleine Schritte ratsam. Die harmloseste Methode ist gar nicht „Nein“, sondern „Ja, aber …“ zu sagen. Also antworten Sie zum Beispiel auf die Frage, ob Sie eine Aufgabe noch heute fertigstellen und dafür länger arbeiten können: „Ja, aber dann komme ich morgen später.“ Eventuell ist es für Ihr Gegenüber dann schon deutlich weniger attraktiv, Sie ständig mit zusätzlicher Arbeit zu versorgen. 

Außerdem können Sie beispielsweise sinngemäß sagen:

  • Danke, dass Sie mich fragen / mir die Möglichkeit geben. Ich bin derzeit sehr beschäftigt und möchte sicherstellen, dass ich die bestmögliche Leistung erbringe. Deshalb kann ich das gerade nicht übernehmen. Finden wir einen alternativen Termin?“
  •  „Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten. Könnten wir gemeinsam klären, wie diese Aufgaben zu meinem Verantwortungsbereich passen?“
  • „Mir liegt viel daran, konstruktive Diskussionen sachlich und respektvoll zu führen und ich schätze offenen Austausch, sofern er auf einer professionellen Ebene stattfindet. Wollen wir dorthin zurückkehren?“

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