Aktives Zuhören will gelernt sein

In stressigen Phasen nicken Angestellte ihrem Kollegen nur kurz zu, statt auf sein Lamentieren über das angebratene Mittagsmenü einzugehen. Gestresste Mitarbeiter lassen einen Zulieferer am Telefon zwar ausreden, erteilen ihm aber mit einem gemurmelten „Vielen Dank, wir melden uns, sollte Ihr Angebot infrage kommen“ eine Absage, ohne genau zu wissen, was eigentlich das Innovative an seinem Produkt ist. Statt passiv hinzuhören, können sich Gesprächspartner ihrem Gegenüber öffnen und aktiv zuhören.

Viele Menschen erzählen gerne. Der Chef informiert das Team über aktuelle Aufgaben, die Kollegen erzählen am Montagmorgen von den Erlebnissen am Wochenende und bereits Schulkinder wispern sich unter den strengen Blicken ihrer Lehrer Geheimnisse zu. Wer Interesse an den Erlebnissen und Meinungen anderer Menschen zeigt, wirkt emphatisch. Ob jemand aktiv zuhört oder nur abwesend nickt, nehmen Gesprächspartner wahr und registrieren schnell, wie aufgeschlossen der andere wirklich ist. Warum hören die wenigsten Menschen aktiv zu und warten stattdessen nur auf das nächste Atemholen, um selbst zu erzählen, das Gesagte zu kommentieren oder sich einfach dem nächsten Thema zuzuwenden? Und das, obwohl aktives Zuhören viele Vorteile hat. Erfahren Sie im Folgenden, welche das sind und wie sich die Kunst des aktiven Zuhörens im Handumdrehen lernen lässt.

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Was ist aktives Zuhören?

Etwas einfach zu hören oder dem Gesagten aktiv zuzuhören, sind grundverschiedene Verhaltensweisen im Gespräch. Etwas hören ist zunächst lediglich eine akustische Wahrnehmung, die nicht zwangsläufig eine Reaktion erfordert. Aktives Zuhören bedeutet nicht nur akustisch wahrzunehmen, was der andere sagt, sondern wirklich zu verstehen, was der andere vermitteln will – also vor allem, zwischen den Zeilen zu lesen.

Ziel des aktiven Zuhörens ist eine klarere Kommunikation ohne Missverständnisse und die Verbesserung von zwischenmenschlichen Beziehungen.

Aktive Zuhörer beweisen Empathie

Wer aktiv zuhört, der gibt dem anderen ein gutes Gefühl und spiegelt Wertschätzung und Aufmerksamkeit wider. Ein aktiver Zuhörer lässt viele Reaktionen erkennen, doch eines wird er niemals tun: den Gesprächspartner unterbrechen, um selbst zu erzählen. Denn das stünde dem aktiven Zuhören entgegen, welches davon geprägt ist, sich in Geduld zu üben und sich selbst daran zu erinnern, nicht zu sprechen, sondern genau hinzuhören bzw. zuzuhören. Es geht beim aktiven Zuhören also darum, nicht dem Pseudo-Zuhören zu verfallen, sondern die Gefühle und das Empfinden des Gegenübers wahrzunehmen.

ein Mann und eine Frau sitzen auf Sesseln vor einer Glasfront und unterhalten sich
ein Mann und eine Frau sitzen auf Sesseln vor einer Glasfront und unterhalten sich

Richtig zuhören fällt vielen Menschen schwer

Trotz aller Vorteile schaffen es viele Menschen nicht, einander aktiv zuzuhören. Passives Verhalten im Gespräch ist nicht nur unhöflich, sondern auch kontraproduktiv. Dennoch sind es mitunter ebenso Vorgesetzte oder verantwortliche Kollegen wie ausführende Mitarbeiter, die sich während eines Gesprächs passiv verhalten. Die wesentlichen Ursachen sind:

  • Persönliche Vorurteile und Bias (aus dem Englischen stammend: ein systematischer Fehler, der dazu führt, dass sich die wahren Begebenheiten verzerren)
  • Ablenkungen und Störungen
  • Stress
  • Unterschiedliche Kommunikationsstile
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Vorteile aktives Zuhören

Wer anderen aktiv zuhört, ist nicht nur ein aufmerksamer Mensch, sondern verbessert die Kommunikation grundlegend. Insbesondere im Berufsalltag sind passive Gespräche eine ständige Gefahr für Fehler und Konflikte

Die fünf überzeugendsten Vorteile des aktives Zuhörens sind diese:

zwei Männer sitzen mit Laptops an einem Tisch und blicken sich im Gespräch an
zwei Männer sitzen mit Laptops an einem Tisch und blicken sich im Gespräch an
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Die sieben Stufen des Zuhörens

Um zwischenmenschliche Beziehungen zu anderen Menschen zu verbessern oder erfolgreiche Verhandlungen zu führen, braucht man ein Grundverständnis für den Gesprächspartner und dessen Bedürfnisse. Je besser Menschen einander zuhören, desto optimaler die Ergebnisse, keine Frage. Bevor man jedoch aktiv zuhören kann, muss man verstehen, wie man selbst zuhört. Zuhören lässt sich grundsätzlich in sieben Stufen einteilen:

Schaubild der sieben Stufen des Zuhörens
Schaubild der sieben Stufen des Zuhörens

Aktiv oder passiv – die Unterschiede beim Zuhören

Die ersten vier Stufen des Zuhörens fallen in den passiven Bereich. Wer sich dem Gegenüber nicht öffnet und nach dem Gespräch nicht weiß, was dem anderen wichtig ist, der war nur passiv beteiligt. Die Person war dann körperlich anwesend, aber mit den Gedanken bei anderen Themen. Im Gegensatz dazu sind die drei Stufen des aktiven Zuhörens davon geprägt, dass der Gesprächspartner seine Aufmerksamkeit auf den anderen richtet und die Inhalte bewusst wahrnehmen will.

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Aktives Zuhören lernen

Aktives Zuhören lernen geht! Wer sich aus dem passiven Verhalten lösen und ganz bewusst in eine offene Kommunikation gehen möchte, kann das mit einigen Übungen trainieren. 

Zunächst ist die eigene Grundhaltung für das Gespräch sehr wichtig. Aktives Zuhören gelingt nur dann, wenn Sie ehrliches Interesse haben, die Person und seine Gefühle wahrnehmen und akzeptieren sowie wertfrei zuhören. Nehmen Sie sich außerdem ausreichend Zeit. Verzichten Sie darauf, ungefragt Ratschläge zu erteilen, Anekdoten aus Ihrem eigenen Alltag zu erzählen und das Gesagte zu bewerten.

Man unterscheidet zwei Formen des aktiven Zuhörens, verbal und nonverbal. Beide sind für ein Gelingen der Kommunikation gleichermaßen wichtig.

Nonverbales aktives Zuhören

Nonverbale Signale sind alle Ausdrucksformen, die über das Gesprochene hinausgehen, z. B. Mimik und Gestik, Körpersprache, Tonfall der Stimme, Kleidung, Interaktion mit der Umgebung etc. Nonverbale Signale zeigen bereits, dass man dem Gesprächspartner zuhört, ohne dies auszusprechen. Wenn Sie aktiv zuhören möchten, zeigen Sie folgende nonverbale Kommunikation:

  • Offene Körperhaltung
  • Augenkontakt
  • Den anderen ausreden lassen
  • Zustimmendes Nicken
  • Störendes/Ablenkendes beiseite lassen (z. B. Smartphone, Unterlagen, Computerbildschirm etc.)

Verbales aktives Zuhören

Zeigen Sie nonverbal, dass Sie Ihrem Gesprächspartner aufmerksam zuhören, besitzt das Gespräch bereits eine gute Basis. Daneben gibt es eine Reihe von verbalen Techniken, wie nachfolgendes Beispiel für aktives Zuhören verdeutlicht.

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Beispiel für aktives Zuhören

Folgendes Beispiel verdeutlicht die Aktives-Zuhören-Techniken beim verbalen aktiven Zuhören: Paraphrasieren, Verbalisieren, Fragen stellen, Zusammenfassen.

Beispiel:

Ihr Kollege äußert: „Der Chef sagt, ich soll das bis morgen erledigen, sonst gibt es Stress mit der Rechtsabteilung, das fehlt mir noch.“

1. Paraphrasieren

Beim Paraphrasieren wiederholen Sie die Kernbotschaften des Gesagten mit Ihren eigenen Worten. Das ist besonders wichtig, um sicherzugehen, dass Sie das Gesagte richtig verstanden haben.

„Also, wenn ich das richtig verstehe, hat unser Chef gesagt, dass du bis morgen Zeit hast, um diese Aufgabe final abzuschließen. Anderenfalls geben es die Kollegen von der Rechtsabteilung zur Eskalation weiter. Habe ich das richtig verstanden?“

Damit Ihr Gegenüber nicht das Gefühl hat, dass Sie sein Gesagtes lediglich nachplappern, ist es oft sinnvoll, die Aussage direkt mit dem nächsten Schritt, dem Verbalisieren, zu verknüpfen.

2. Verbalisieren

Im zweiten Schritt versuchen Sie, zu verstehen, wie sich Ihr Gegenüber fühlt. Ihr Gegenüber fühlt sich dadurch gehört und kann im Zweifelsfall auch richtigstellen, falls Sie sich irren.

  • „Also, wenn ich das richtig verstehe, hat unser Chef gesagt, dass du bis morgen Zeit hast, um diese Aufgabe final abzuschließen. Anderenfalls geben es die Kollegen von der Rechtsabteilung zur Eskalation weiter. Und deshalb fühlst du dich gestresst und wütend. Habe ich das richtig verstanden?“
  • „Es scheint, als ob du dir Sorgen machst, weil der Chef von dir erwartet, dass du diese Aufgabe bis morgen erledigen musst und du befürchtest, dass du es nicht rechtzeitig schaffst. Ist das richtig?“
  • „Der Druck, diese Aufgabe bis morgen erledigen zu müssen und das Risiko, dass es Probleme mit der Rechtsabteilung gibt, stresst dich, richtig?“

3. Fragen stellen

Erst wenn alles gesagt ist, steigen Sie mit offenen Fragen in das Gespräch ein. Klären Sie Dinge, die Ihnen unklar sind, um Missverständnisse zu vermeiden. Hilfreich ist es hier, wenn Sie W-Fragen stellen:

  • „Was genau sollst du bis morgen erledigen?“
  • „Wer genau soll das erledigen? Du oder ist das eine Aufgabe für das ganze Team?“
  • „Warum genau bringt dich das so auf die Palme?“
  • „Warum muss das ausgerechnet bis morgen erledigt sein?“

4. Zusammenfassen

Mittlerweile sollten Sie bereits mehr Informationen über die Situation und die emotionale Welt Ihres Gegenübers haben. Fassen Sie alle relevanten Punkte noch einmal zusammen, um sicher zu gehen, dass es zu keinen Missverständnissen gekommen ist.

„Also, wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann hast du bis morgen Zeit, die Datenschutzerklärung auf der Website zu ändern. Die Rechtsabteilung hat den Chef bereits mehrfach darauf hingewiesen und jetzt sollst du diese Aufgabe kurzfristig übernehmen. Das macht dich wütend, weil es eigentlich nicht deine Aufgabe ist. Außerdem fühlst du dich unter Druck gesetzt, weil du befürchtest, dass der Chef dir die Verantwortung gibt, falls es deshalb Probleme mit der Rechtsabteilung gibt. Stimmt das so?“

Nehmen Sie sich nach dem Gespräch die Zeit, sich selbst und Ihre Gesprächsführung zu analysieren. Was lief gut? Welche Missverständnisse konnten vermieden werden und wo sehen Sie das Potenzial für Verbesserungen? Indem Sie sich auch weiterhin im aktiven Zuhören üben und sich bewusst reflektieren, verbessern Sie Ihre Kommunikationsfähigkeiten stetig.

Aktives Zuhören und Empathie gehen Hand in Hand

Aktiv zuhören und Einfühlungsvermögen zeigen bedingt einander. Lesen Sie, was man unter Empathie versteht, für welche Berufe sie besonders wichtig ist und ob man sie erlernen kann.

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Fragen und Antworten

Hier finden Sie Antworten auf Fragen rund um das Thema „aktives Zuhören im Job“

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