Chancen und Grenzen

Künstliche Intelligenz übernimmt im Recruiting zeitraubende Tätigkeiten und findet Mitarbeiter, auf die Unternehmen sonst nie stoßen würden. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das viel wert. Doch nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch erlaubt.

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Vorteile von KI im Recruiting

Wie lange brauchen Sie, um eine Stelle zu besetzen? Wenn Sie einen neuen Kollegen oder eine neue Kollegin einstellen, sind Sie dann sicher, die absolut Besten für den Job gefunden zu haben? Oder müssen Sie in Anbetracht des Fachkräftemangels mehr Kompromisse eingehen, als Sie wollen?

Diese Fragen stellen sich viele Personaler. Denn je weniger Menschen eine neue Stelle suchen, desto schwieriger und langwieriger ist es für Unternehmen, Fachkräfte zu finden. Gehen dann Bewerbungen ein, nehmen die Sichtung von Bewerbungsschreiben und Lebensläufen sowie die Gespräche mit Kandidaten viel Zeit in Anspruch. Für das Unternehmen verlängert sich dadurch die Zeit, bis die offene Stelle besetzt ist, für Bewerber die Wartezeit, bis sie eine Antwort von dem möglichen neuen Arbeitgeber bekommen.

Künstliche Intelligenz (KI) für das Recruiting kann das ändern. Sie findet in Jobbörsen und sozialen Netzwerken mögliche Mitarbeiter, auf die Unternehmen anders nie stoßen würden. Im Verlauf eines Bewerbungsprozesses übernimmt die Technologie zudem zeitraubende, repetitive Aufgaben. 

Künstliche Intelligenz 

  • erledigt diese Arbeiten auch nachts oder am Wochenende,
  • erlaubt es Recruitern, größere Zahlen an Bewerbern anzusprechen und ihre Unterlagen zu bearbeiten,
  • senkt die Kosten für die Besetzung einer offenen Position, da für die Bewerberauswahl weniger teure menschliche Arbeitszeit erforderlich ist. 

Der Einsatz von KI im Recruiting – auf Englisch „AI Recruiting“ – bringt so vor allem Unternehmen erhebliche Vorteile, in deren Belegschaft eine hohe Fluktuation herrscht. Die Personalsuche und die zeitraubende Auswahl der am besten geeigneten Bewerber enden dort im Grunde nie. 

Allerdings kann jedes Unternehmen von der Technologie profitieren. Wer etwa bei der Personalauswahl und –suche generative KI wie ChatGPT, Bard oder Bing einsetzt, verbessert dadurch, wie Arbeitnehmer ihn als Arbeitgeber wahrnehmen. Denn Software, die generative KI nutzt, findet nicht nur geeignete Fachkräfte auf Jobbörsen und in sozialen Netzwerken. Sie spricht sie auch individualisiert an. Dazu nutzt sie Informationen aus dem Onlineprofil des potenziellen neuen Kollegen. Auch individualisierte Antworten an Bewerber verfasst generative KI. Eine derart maßgeschneiderte Kommunikation drückt Wertschätzung für den Adressaten aus.

Mit künstlicher Intelligenz verbessern Arbeitgeber daher auch die sogenannte Candidate Experience – also die Art und Weise, wie Bewerber und Interessenten für eine neue Stelle den Umgang mit dem Unternehmen erleben. 

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So funktioniert künstliche Intelligenz im Recruting

Künstliche Intelligenz ist eine Technologie, die es Computern ermöglicht, menschliches Lernen und Denken zu simulieren. Dazu trainieren Entwickler Algorithmen mit Technologien wie maschinellem Lernen und „Deep Learning“ darin, Muster, Regelmäßigkeiten und Zusammenhänge in großen Datenmengen zu erkennen. Durch die Bestätigung, dass von ihnen ermittelte Ergebnisse richtig oder erwünscht sind, lernen die Systeme, wie sie sich verhalten sollen. Im Laufe der Zeit kann KI so präzise Vorhersagen auch aus Daten ableiten, die während des Trainings nicht verwendet wurden. Zudem ordnet sie neue Informationen richtig zu, weil sie erkennt, dass diese ähnliche oder die gleichen Attribute wie ein im Training erkanntes Muster oder eine Gesetzmäßigkeit haben. 

Verarbeitung enorm großer Datenmengen möglich

Systeme künstlicher Intelligenz können erheblich größere Datenmengen wesentlich schneller und präziser verarbeiten als der Mensch. Da sie auf Computern laufen, können sie dies zudem sieben Tage die Woche rund um die Uhr tun. Sie bieten somit die gleichen Vorteile wie Roboter. Ihr Einsatz in der Personalauswahl wird deshalb auch „Robot-Recruiting“ genannt.

Inzwischen kann KI nicht mehr nur denken und Probleme lösen. Durch Natural Language Processing hat sie auch gelernt, in menschlicher Sprache Regel- und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und selbst schriftliche oder von einem Chatbot gesprochene Texte zu erzeugen. Besonders diese „generative“ KI wird Personalern künftig das Recruiting erleichtern.

Mann blickt lächelnd auf PC Bildschirm
Mann blickt lächelnd auf PC Bildschirm

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Anwendungsbereiche von KI im Recruiting

Bislang nutzen Personaler KI vor allem, um Stellenanzeigen zu verfassen, diese für Suchmaschinen zu optimieren, oder auf den am besten passenden Jobportalen und sozialen Netzwerken zu platzieren. Mit der Technologie lassen sich auch automatisiert Termine für Bewerbungsgespräche vereinbaren und personalisierte Absagen verfassen. Doch AI Recruiting kann mehr. Unter anderem unterstützt KI Recruiter bei der Personalsuche, indem sie folgende Aufgaben übernimmt:

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Datenschutz bei KI im Bewerbungsprozess

Nicht alles, was mit KI im Recruiting technisch möglich ist, ist auch erlaubt. So können Arbeitgeber Chatbots und Parsing-Tools zur Sichtung und Analyse von Lebensläufen bei der Personalsuche zwar in der Regel so einsetzen, dass dies nicht gegen den Datenschutz verstößt. Bei Systemen, die in sozialen Netzwerken nach geeigneten Mitarbeitern suchen, ist das aber selten möglich.

Einwilligung zu KI-Datenverarbeitung kann nicht vorausgesetzt werden

Bewerber müssen ihre Einwilligung geben, wenn Unternehmen ihre Daten während eines Bewerbungsprozesses verarbeiten wollen. Wird dabei eine KI eingesetzt, müssen sie auch dem gesondert zustimmen. Beide Einwilligungen müssen sie freiwillig geben. 

Juristen und Datenschützer gehen zwar davon aus, dass Bewerber mit der Einsendung ihrer Unterlagen an einen Arbeitgeber implizit und freiwillig zustimmen, dass dieser ihre Daten verarbeitet. Sie willigen damit aber nicht zugleich auch in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Informationen durch eine KI ein – schon gar nicht freiwillig.

Dass die geforderte Freiwilligkeit gegeben ist, können Unternehmen außer bei Initiativbewerbungen juristisch ohnehin nur sehr selten einwandfrei beweisen. Denn sie befinden sich gegenüber Bewerbern in einer Machtposition.

Empfehlungen

Um keine Fehler zu begehen, sollten Arbeitgeber den Einsatz von KI daher nie zur Voraussetzung für die Teilnahme an einem Bewerbungsverfahren machen. Sie sollten die Technologie lediglich als Ergänzung oder Alternative zur analogen Personalauswahl heranziehen. 

Personaler müssen Bewerber nach den Paragrafen 12, 13 und 14 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) außerdem umfassend darüber informieren, wieso sie bei einem Einstellungsverfahren KI einsetzen, welche Erkenntnisse sie sich davon erhoffen und welche Tragweite das für Bewerber hat. Diese haben auch Anspruch auf aussagekräftige Informationen über die Logik, nach der die genutzte KI Kandidaten beurteilt.

Auch wenn Bewerber dem Einsatz der Technologie nach solch einer Aufklärung freiwillig zustimmen, haben sie nach § 22 DSGVO das Recht, dass ein Mensch die Urteile der KI überprüft und letztlich die endgültige Entscheidung über ihre Einstellung oder Ablehnung trifft. 

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Vorschriften im AI Act der EU

Weitere rechtliche Anforderungen an den Einsatz von KI im Recruiting stellt der seit Anfang August 2024 geltende Artificial Intelligence Act der Europäischen Union. Er qualifiziert „KI-Systeme, die für die Einstellung oder Auswahl natürlicher Personen verwendet werden sollen, insbesondere zur Schaltung gezielter Stellenanzeigen, zur Analyse und Filterung von Bewerbungen und zur Bewertung von Bewerbern“ als Hoch-Risiko-Systeme. Diese dürfen Unternehmen nur einsetzen, wenn sie umfangreiche Auflagen erfüllen. Artikel 5 Nummer 1 f des Acts untersagt zudem „die Verwendung von KI-Systemen zur Ableitung von Emotionen einer natürlichen Person“ am Arbeitsplatz. Obwohl die juristische Auslegung der Vorschrift noch nicht geklärt ist, dürfte sie wohl auch für Systeme gelten, die während eines Bewerbungsgespräches aus Wortwahl, Sprachduktus, Gestik und Mimik eines Kandidaten Rückschlüsse auf dessen Persönlichkeit, Einstellung und Ehrlichkeit ziehen.

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KI im Recruiting implementieren

Wer AI Recruiting einsetzen will, muss viel Vorarbeit leisten. Dabei ist zunächst zu klären, was genau mit der Technologie erreicht werden soll. Soll nur die Personalabteilung bei zeitraubenden Routinetätigkeiten entlastet, oder in sozialen Netzwerken und auf Jobplattformen auch automatisiert nach neuen Mitarbeitern gesucht werden? Soll generative KI Schreiben an Bewerber verfassen und so den Schriftverkehr mit diesen beschleunigen? Oder soll sie auch die von diesen eingesandten Lebensläufe dahingehend analysieren, wie gut Interessenten zum Unternehmen passen? Von der Antwort auf diese Fragen hängt ab, welche KI-Tools für die Personalsuche und –auswahl infrage kommen. Ist die Entscheidung für ein System gefallen, sollten Personalverantwortliche dieses in Pilotprojekten testen. Dabei müssen sie auch klären, wie gut sich das Tool in die IT- und Software-Landschaft des Unternehmens und seiner Personalabteilung integrieren lässt. Steht dann die Entscheidung, welches digitale Recruiting-Werkzeug es sein soll, müssen Personaler im Umgang mit ihm geschult werden. 

Auch dann ist die Vorarbeit aber noch nicht abgeschlossen. Um KI bei der Personalauswahl sinnvoll nutzen zu können, müssen Unternehmen auch auf diese Fragen Antworten haben:

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