Im Jahr 2023 gründete sich innerhalb der Randstad Gruppe Deutschland die Women Empowerment Business Resource Group aus Mitarbeitenden der Unternehmensgruppe. Diese hat nun einen konkreten Maßnahmenplan erarbeitet: die Frauen@Randstad Empowerment Initiative. Mit dieser verpflichten wir uns der Frauenförderung – zielgerichtet und messbar. Was das bedeutet und warum Freiwilligkeit nicht immer zum Ziel führt, erklären Carlotta Köster-Brons und Frank Münze.

Frank Münze und Carlotta Köster-Brons
Frank Münze und Carlotta Köster-Brons

Warum ist und bleibt Frauenförderung ein Thema?

Frank Münze: Aus meiner Perspektive als Verantwortlicher für EDI&B bei Randstad ist das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig. Das bedeutet, dass wir Frauenkarriere und -förderung nicht nur isoliert betrachten dürfen, sondern als Teil der Dimensionen der Vielfalt. Letztlich ist deren Zusammenspiel äußerst relevant für den Erfolg von Unternehmen. Zudem haben wir uns – bei Randstad arbeiten immerhin 162 Nationen – das Leitbild „Vielfalt ist unsere Kultur“ auf die Fahnen geschrieben. Global betrachtet hat die Wirtschaft beim Thema Geschlechterparität allerdings einen Schritt zurück gemacht, wie Anfang des Jahres beim Weltwirtschaftsforum in Davos deutlich wurde. Eine Balance zwischen Männern und Frauen im Job wäre nach aktuellem Stand erst in 131 Jahren erreicht. Allein das zeigt, welchen Weg wir weltweit noch vor uns haben. Randstad will schneller sein: Bis 2030 wollen und werden wir Geschlechterparität im oberen Management erreichen.

Warum ist es aktuell trotz aller Bemühungen um die Chancengleichheit von Frauen noch nicht so gut bestellt?

Carlotta Köster-Brons: In Deutschland haben wir immer noch ein Rollenbild, das deutlich konservativer ist als in anderen Ländern. Eine Vollzeit-Erwerbstätigkeit ist gerade bei Müttern immer noch mehr die Ausnahme als die Regel. Das hängt mit den fehlenden oder unzureichenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten zusammen, aber eben auch mit den gesellschaftlichen Vorstellungen, wie die Familienarbeit aufgeteilt wird. Für viele Frauen bedeutet das eine Erwerbstätigkeit in Teilzeit. Und dann schnappt leider oft die Teilzeit-Falle zu und Frauen werden seltener für Karriere und Führungsrollen in Betracht gezogen, weil arbeitgebende Unternehmen häufig Anwesenheit statt Qualifikation als ausschlaggebenden Faktor betrachten. Hier müssen sowohl Arbeitgeber als auch die Frauen ihre Positionen verändern. 

Frank Münze:  Gleichstellung heißt noch lange nicht, dass Frauen tatsächlich gleich gesehen und wahrgenommen werden. Wir leben nach wie vor in einer Gesellschaft, in der Stereotype zwar verblassen, aber immer noch existent sind. Erst wenn diese unbewussten Vorurteile abgebaut sind, gibt es auch die Möglichkeit, geschlechterunabhängig Karrieren zu entwickeln. Auch deshalb muss das Thema Frauenkarriere viel sichtbarer gemacht werden. Und das geht nur durch Sensibilisierung für das Thema, eine Vielzahl von Aktivitäten und eine klare Strategie.

Bei Randstad gibt es seit 2023 deshalb die Women Empowerment Business Resource Group (WE BRG). Was steckt dahinter?

Frank Münze: Die WE BRG ist eine Gruppe, die aus Mitarbeitenden entstanden ist, um sich für verschiedene Themen rund um Frauenförderung und Frauenkarriere einzusetzen und deren Sichtbarkeit zu erhöhen. Wir als Unternehmen können sie unterstützen und Synergien durch die Einbindung in strategische Projekte zum Thema “Gender Equity” schaffen. Um echte Chancengleichheit herzustellen, muss sichergestellt werden, dass das System geändert wird: durch bewussteren Umgang mit Vorurteilen, durch Sichtbarmachen von Fehlverhalten. Das sorgt dafür, dass auch die Gesellschaft anders mit diesen Themen umgeht. Wir als Unternehmen sind in der Verantwortung, Vorbilder zu sein. 

Bei Randstad gibt es bereits einige BRGs und das Diversity Council – sind das nicht zu viele Initiativen, die parallel laufen?

Carlotta Köster-Brons: Das Diversity Council besteht bei Randstad schon seit 2014. Damit gehörten wir in Deutschland mit zu den ersten Unternehmen, die sich in diesem Format mit dem Thema Diversität auseinandergesetzt haben. Die Vielfalt und die Tiefe der Themen hat im Laufe der Jahre stark zugenommen. Wir haben daher beschlossen, thematische Einzelgruppen (Business Resource Groups) zu bilden, die Themen in der Tiefe bearbeiten können und trotzdem mit dem Council vernetzt bleiben. In jeder Sitzung des Council erhalten wir beispielsweise einen Bericht aus den BRGs über den aktuellen Status ihrer Projekte. 

Frank Münze: Nicht zuletzt sind diese verschiedenen Initiativen und Interessengruppen aus HR-Sicht auch ein starkes Instrument für die Arbeitgeberattraktivität. Zu sagen: Wir haben ein Forum, in dem Mitarbeitende sich unabhängig von ihrer Rolle und Funktion einbringen können, um Themen voranzubringen und sich auszutauschen, sorgt dafür, dass Menschen sich im Unternehmen willkommen und sich ihm auch stärker verbunden fühlen.

Mit der Frauen@Randstad Empowerment Initiative habt ihr jetzt ein Projekt auf den Weg gebracht, das verschiedene Themenbereiche der Frauenförderung und Frauenkarriere abdeckt. Wie ist das entstanden?

Carlotta Köster-Brons: Wir haben zunächst ganz pragmatisch eine Bestandsaufnahme gemacht: Was machen wir schon? Dann haben wir die vielen schon bestehenden Maßnahmen in große Themengruppen zusammengefasst. Dabei hatten wir die klassischen Handlungsfelder, die auch für uns als deutsche Randstad Gruppe gelten, natürlich immer im Blick. Nachdem wir die Handlungsfelder definiert haben, haben wir die KPIs und den Umsetzungszeitraum festgelegt. 

Frank Münze: Bei Gründung der Frauen BRG haben wir außerdem geschaut: Was ist ihnen wichtig zum Thema Frauen, Beruf und Karriere? Alle Themen haben wir in einer Datei zusammengeführt, geclustert, priorisiert und mit KPIs hinterlegt. Das Ergebnis sind konkrete Ziele und messbare Maßnahmen, die unsere Initiative von anderen abheben und besonders machen.

Braucht es diese Art der Verbindlichkeit, wenn es um Chancengerechtigkeit für Frauen geht?

Carlotta Köster-Brons: Auf jeden Fall. Meine Beobachtung in der Unternehmenswelt ist, dass die Freiwilligkeit der vergangenen Jahre nicht die Ergebnisse gebracht hat, die sie hätten bringen sollen. Wenn man als Unternehmen den Unterschied machen will, ist es mit reiner Bekundung von Freiwilligkeit nicht getan. Unser Schritt ist deshalb der konsequent nächste auf dem Weg zur Chancengleichheit. Dass wir uns KPIs und Zeitpläne setzen, ist etwas Neues, das es so in der Wirtschaft noch nicht allzu häufig gibt. Wir haben die Freiwilligkeit hinter uns gelassen. Ich sage: Unternehmen, die ernsthaft Chancengerechtigkeit leben wollen, müssen sich in dieser Form dazu bekennen und etwas anderes machen. Zumindest in unserer Branche gehören wir damit zu den absoluten Vorreitern.

Frank Münze: Eine Selbstverpflichtung ist nötig: Einerseits, um die Unternehmenskultur zu prägen, aber auch, um den Mindset-Wandel in den Köpfen der Arbeitnehmenden und Führungskräfte – auch der Frauen – voranzubringen. Ein selbstverständlicher Umgang mit Gender Equity setzt zunächst ein entsprechendes Selbstverständnis voraus. Nur so können Frauen mutiger und selbstbewusster werden.

Warum ist Netzwerken so ein wichtiger Bestandteil des Karriereplans?

Carlotta Köster-Brons: Männer nutzen Netzwerke schon lange, und die Frauen müssen nachziehen und sich mehr in Netzwerken engagieren. Viele Frauen machen einen Denkfehler und meinen: Für so etwas habe ich keine Zeit. Dabei ist es unglaublich wichtig und wertvoll, in ein gutes Netzwerk zu investieren. Eine unserer Maßnahmen ist es deshalb, nach und nach Vertreter:innen der Netzwerke einzuladen, damit sie ihr Netzwerk vorstellen. Die Frauen können sich dann entscheiden, wo sie sich am liebsten engagieren möchten.

In eurem Maßnahmenplan habt ihr auch Männerförderung verankert – ist das kein Widerspruch?

Frank Münze: Auf keinen Fall. Wir erleben noch immer, dass Männer von Arbeitgebern unter Druck gesetzt oder von Kolleg:innen belächelt werden, wenn sie als Vater Elternzeit nehmen wollen. Das muss sich ändern, wenn wir echte Chancengleichheit wollen. Wenn es selbstverständlich wird, dass beide Elternteile Elternzeit nehmen und keine Unterscheidung mehr zwischen Mann und Frau gemacht wird, dann wird auch die berufliche Selbstverwirklichung für Frauen leichter.  

Carlotta Köster-Brons: Wenn wir die Gesellschaft verändern wollen, muss ich zum Beispiel meine männlichen Beschäftigten auch motivieren, sich auch mal ums Kind zu kümmern. Denn wenn weiterhin meistens nur die Frau mit den kranken Kindern zu Hause bleibt, ändert sich nichts in den Köpfen und an den Strukturen. Außerdem: Es ist heute eine Notwendigkeit, dass sowohl Männer als auch Frauen gleichberechtigt arbeiten und sich um die Familie kümmern

Warum ist die traditionelle Rollenaufteilung – der Mann arbeitet, die Frau bleibt zu Hause – keine Option mehr in der heutigen Gesellschaft?

Carlotta Köster-Brons: Frauen, die auf traditionelle Rollenmodelle setzen und nicht arbeiten, gehen für ihren Lebensentwurf ein Risiko ein: Sie sind oftmals von Altersarmut bedroht, weil sie im Alter nicht auf eine eigene Rente zurückgreifen können - und auch im Falle einer Scheidung stehen sie oft vor dem Nichts. Ich denke, es ist wichtig, deutlich zu sagen, dass eine eigene Berufstätigkeit für Frauen der Normalzustand sein sollte und nicht die Ausnahme.

Das betrifft im Übrigen nicht nur die Rente: Auch eine eigene Krankenversicherung ist wichtig. Seit vielen Jahren wird immer mal wieder gefordert, dass die beitragsfreie Mitversicherung aufgehoben wird. In dem Moment, wo solch eine politische Entscheidung getroffen werden würde, stünden viele Hausfrauen vor einer großen Herausforderung. Die Politik wird in den nächsten Jahren sicherlich die Weichen weiter in Richtung Doppelverdiener-Ehen stellen, auch weil auf die guten Qualifikationen der Frauen gar nicht verzichtet werden kann.

Ein wichtiger Faktor, damit das gelebt werden kann, ist die Bezahlung. Stichwort: Gender Pay Gap. Was macht ihr bei Randstad, um hier mehr Gerechtigkeit herzustellen?

Frank Münze: Wir filtern und analysieren quartalsweise die Vergütungen nach unterschiedlichen Kriterien, um zu sehen, ob gleich vergütet wird. Als Kriterien können beispielsweise Männer und Frauen, Ost und West, aber auch Verantwortungsbereiche herangezogen werden. Wir haben in einem Großteil der Ebenen bereits heute und schon seit längerem zunehmend Parität erzielt. Um sie noch weiter voranzubringen, haben wir entsprechende Maßnahmen bei Frauen@Randstad definiert. 

Und was passiert, wenn ihr Ungleichheiten in der Bezahlung im Unternehmen entdeckt?

Zunächst einmal soll das Entgelttransparenzgesetz auf Grundlage eines individuellen Auskunftsanspruchs für Beschäftige vor allem Frauen dabei unterstützen, ihren Anspruch auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit besser durchzusetzen. Darüber hinaus gibt es bei Randstad im Austausch zwischen Mitarbeitenden, Führungskräften, Human Resources und den Betriebsratsvertretenden datenbasierte Abstimmungsgespräche in verschiedener Form und Frequenz. Man sieht: Das Thema gleiche Bezahlung ist Teil unserer Prozesse und gehört zum Tagesgeschäft.

Wird es solche Initiativen wie Frauen@Randstad irgendwann nicht mehr brauchen?

Frank Münze: Frauenförderung ist nur dann dauerhaft erfolgreich, wenn wir sichtbar bleiben, wenn wir Nachhaltigkeit erzeugen und uns immer wieder kritisch hinterfragen.

Carlotta Köster-Brons: Vielleicht reden wir in drei oder vier Jahren über andere Themen als heute. Ich würde sagen: In zwei Jahren müssen wir erste erkennbare Erfolge sehen. Bereits in sechs Jahren wollen wir Parität erreichen. Währenddessen müssen wir aufmerksam bleiben, wenn neue Themen aufkommen. Unsere Initiative ist etwas Lebendiges und Dynamisches, das immer wieder nachjustiert werden muss. Ich glaube nicht, dass uns die Themen ausgehen werden.

Was sind Business Resource Groups (BRG)?

Hierbei handelt es sich um betriebsinterne, freiwillige, mitarbeiter-initiierte Gruppen. Ihr Ziel ist es, abgestimmt auf ihr Unternehmen einen vielfältigen, integrativen Arbeitsplatz zu fördern. Sie befassen sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Den sich in die BRGs einbringenden Mitarbeitenden ist dabei ein Merkmal gemein, zum Beispiel das Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Lebensstil oder Interessen. In der Randstad Gruppe Deutschland unterstützen sich die Mitglieder der BRGs gegenseitig und tragen zur gelebten, integrativen und inklusiven Kultur der Vielfalt bei Randstad bei, indem sie Erfahrungen austauschen, wertvolles Wissen einbringen, Empfehlungen für arbeitgeberseitige Projekte zum Thema Vielfalt aussprechen, eigene Projekte initiieren, Netzwerke bilden und Mentoring anbieten.

 

Lesetipp:

Diversität im Unternehmen bietet viele Vorteile. Erhalten Sie Tipps für Ihr Diversity Management, um von der positiven Wirkung auf die Arbeitgeberattraktivität und den Erfolgschancen zu profitieren.