„Trag doch mal engere Hosen, dann kommt dein Po viel besser zur Geltung.“ Was wie ein harmloser Rat zum Thema Mode klingt, ist in Wirklichkeit ein Beispiel für sexuelle Belästigung. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann für die Opfer zur schrecklichen Belastung werden. Ob E-Mail mit schlüpfrigen Witzen, versteckte Aufforderung zum Sex oder die fremde Hand unter dem Konferenztisch: Unterschiedliche Formen sexueller Belästigung lösen bei den Opfern Gefühle von Demütigung, Scham, Angst und Hilflosigkeit aus. Und in manchen Fällen müssen sich Betroffene zudem auch noch Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit und Vorwürfe der üblen Nachrede gefallen lassen. Doch was ist eigentlich sexuelle Belästigung? Wie können Sie erfolgreich dagegen vorgehen? Und welche Konsequenzen erwarten die Täter? Wir liefern Ihnen die Antworten auf diese und weitere Fragen.

eine Frau sitzt mit nachdenklichem Blick am Schreibtisch vor ihrem Laptop
eine Frau sitzt mit nachdenklichem Blick am Schreibtisch vor ihrem Laptop

Was zählt zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz?

Sexuelle Belästigung beginnt nicht erst mit körperlichen Übergriffen. Bereits mehrdeutige Anspielungen, obszöne Gesten, aufdringliche Blicke oder unerwünschte Nachrichten mit sexuellem Inhalt sind ein absolutes No-Go – am Arbeitsplatz genauso wie an jedem anderen Ort. 

Es gibt drei Formen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Jede dieser Formen ist laut Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten. Ob am Arbeitsplatz selbst, auf dem Weg dorthin oder bspw. bei Firmenveranstaltungen. Und: Es macht keinen Unterschied, ob die sexuelle Belästigung absichtlich oder vermeintlich versehentlich geschah.

  • Physisch
    Ganz klar stellt jede unerwünschte Berührung, jedes Streicheln oder Küssen eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz dar. 
  • Verbal
    Anzügliche Witze, zweideutige Bemerkungen oder Aufforderungen zu sexuellen Handlungen – auch Worte dürfen die Grenze zur sexuellen Belästigung nie überschreiten.
  • Non-verbal
    Elektronische oder andere Nachrichten mit sexuellem Inhalt oder die Verbreitung pornografischen Materials erfüllen ebenfalls den Tatbestand der sexuellen Belästigung. Aber auch obszöne Grimassen, Blicke oder Gesten gehören in diese Kategorie.

Natürlich empfinden Menschen ganz unterschiedlich. Dementsprechend wird oft der „schmale Grat“ zwischen einem harmlosen Flirt und sexueller Belästigung betont. Aber Fakt ist, welche Handlungen eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz darstellen, ist klar geregelt. Ganz egal, ob Sie mit einem zweideutigen Witz nicht einverstanden sind, Sie Berührungen von Mitarbeitenden nicht ignorieren können, verbale sexuelle Anspielungen nicht hinnehmen wollen oder ob Sie eine direkte Aufforderung zu sexuellen Handlungen aus der Bahn wirft. Wann immer eine gegen Sie gerichtete, sexuell bestimmte Handlung von Ihnen unerwünscht ist, also ohne Ihr ausdrückliches Einverständnis und einseitig erfolgt, handelt es sich um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Nehmen Sie die sexuelle Belästigung keinesfalls hin und gehen sie nicht aus Angst vor beruflichen Nachteilen darauf ein. Es ist unbedingt notwendig, dass Sie handeln. Zu Ihrem eigenen Schutz, zu dem anderer möglicher Opfer und zur Abschreckung der Täterin oder des Täters.

Jeder Fall sexueller Belästigung ist anders. Dennoch können Sie sich an der folgenden Schritt-für-Schritt-Anleitung orientieren, falls Sie betroffen sind:

1. Ablehnen und konfrontieren

Bringen Sie Ihre Ablehnung gegenüber der Täterin oder dem Täter deutlich zum Ausdruck. Drohen Sie auch Konsequenzen an für den Fall, dass die Belästigung nicht eingestellt wird. 

2. Beweise sammeln

Bewahren Sie etwa E-Mails oder Chatnachrichten auf und machen Sie Screenshots. Falls es keine schriftlichen Belege einer sexuellen Belästigung gibt, suchen Sie sich Zeugen. Zwar besteht keine Beweispflicht, aber natürlich kann es im weiteren Verlauf von Vorteil sein, wenn Sie sexuelle Belästigung belegen oder Zeugen nennen können. In jedem Fall sollten Sie den Tathergang möglichst detailliert dokumentieren, inklusive Ort, Uhrzeit und anwesenden Personen. Durch die Dokumentation sind Ihre Aussagen noch glaubwürdiger. Gerade, falls Beweise und Zeugen fehlen.

3. Unternehmensintern beschweren

Wenden Sie sich an die Beschwerdestelle (z. B. Integrity Officer) oder den Betriebsrat. Existiert beides nicht, können Sie auch direkt eine andere Vertrauensperson Ihres Arbeitgebers ansprechen. Er muss seiner Fürsorgepflicht nachkommen und entsprechende Schritte einleiten. Tut er das nicht oder nicht ausreichend, ergibt sich für Sie daraus eventuell sogar ein Anspruch auf Schadensersatz. Es gibt zwar keine offiziellen Fristen, aber je früher Sie eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz melden, desto besser. Es dürfen Ihnen keine Nachteile durch die Beschwerde entstehen, etwa in Form einer Abmahnung oder Kündigung.

4. Leistung verweigern

Sollte Ihr Arbeitgeber nach Ihrer Beschwerde tatenlos bleiben oder Ihre Führungskraft selbst der Täter sein, greift das Leistungsverweigerungsrecht. Sie haben dann Anspruch auf Lohnfortzahlung, ohne dass Sie weiterarbeiten müssen. Eventuell bietet Ihr Arbeitgeber Ihnen auch eine Entschädigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann zu diesem Zeitpunkt hilfreich sein.

5. Strafanzeige stellen

Natürlich können Sie auch Strafanzeige gegen die Täterin oder den Täter stellen – wenn es sich um eine physische sexuelle Belästigung handelt. Je nach Schwere kann das Fehlverhalten eine Geld- oder Gefängnisstrafe nach sich ziehen. Falls Sie es nicht schon ohnehin getan haben, sollten Sie jetzt einen Anwalt engagieren, um Ihre Forderungen zu vertreten. 

Gibt es ein Gesetz zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz?

Rund um das Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz spielen vor allem drei Gesetzestexte eine zentrale Rolle: 

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
    Laut BGB ist die sogenannte Fürsorgepflicht die wichtigste Nebenpflicht des Arbeitgebers. Sie verpflichtet ihn dazu, seine Mitarbeitenden bestmöglich vor körperlichem oder psychischem Schaden zu schützen. Das bedeutet: Erfährt der Arbeitgeber von einer sexuellen Belästigung, hat er laut BGB die gesetzliche Pflicht, den Arbeitnehmer davor zu schützen. Ohne Wenn und Aber.
  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
    Dieses zentrale Gesetz liefert etwa die grundlegende Definition für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Außerdem wird im AGG das Beschwerderecht festgehalten, also dass sich Betroffene bei einer Beschwerdestelle oder beim Betriebsrat im Unternehmen über die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz beschweren dürfen. Darüber hinaus beschreibt das AGG, welche Maßnahmen der Arbeitgeber ergreifen muss, um den Schutz der betroffenen Personen zu gewährleisten und gegen Täter oder Täterinnen im Unternehmen arbeitsrechtlich vorzugehen.
  • Strafgesetzbuch (StGB)
    Laut StGB stellt jede physische, also körperliche sexuelle Belästigung eine Straftat dar. In § 184 i) heißt es: „Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (…).“ In besonders schweren Fällen, etwa bei gemeinschaftlich begangener sexueller Belästigung, ist sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren möglich. In extremer Ausformung, wie etwa bei Vergewaltigung, greift § 177 StGB. Er sieht in besonders schweren Fällen Gefängnisstrafen von mindestens fünf Jahren vor. 

Was sind die Folgen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Die Folgen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sind für die Opfer oft weitreichend und nicht selten traumatisch. Den Täter oder die Täterin erwarten ganz andere Konsequenzen. 

  • Folgen für das Opfer
    Oft bewirkt oder bezweckt sexuelle Belästigung, dass das Opfer erniedrigt wird, sich schämt oder sich in seiner Würde verletzt fühlt. Kommen noch Anfeindungen oder Einschüchterungen hinzu, etwa durch die Androhung beruflicher Nachteile, verschlimmert diese Situation noch weiter. Zudem wird sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz oft verharmlost oder aus Gewohnheit akzeptiert. Dabei kann sexuelle Belästigung auf kurze Sicht nicht nur zu Gefühlen von Angst und Hilflosigkeit führen, sondern langfristig auch zu Depressionen, Panikattacken und Arbeitsunfähigkeit. Umso wichtiger ist es, dass sich Opfer von Anfang an zur Wehr setzen.
  • Folgen für den Täter oder die Täterin
    Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, die andere Mitarbeitende sexuell belästigen, müssen vom Arbeitgeber abgemahnt bzw. je nach Schwere der Belästigung auch (fristlos) gekündigt werden. Der Arbeitgeber fordert in jedem Fall  die Person dazu auf, die Belästigung zu unterlassen und sollte bzw. muss arbeitsrechtliche Konsequenzen androhen bzw. diese umgehend umsetzen.

In minder schweren Fällen ist der nächste mögliche Schritt die Abmahnung. Sie vereinfacht eine verhaltensbedingte Kündigung für den Fall, dass der Täter oder die Täterin das Fehlverhalten nicht einstellt. Der Arbeitgeber kann den Täter oder die Täterin außerdem an einen anderen Arbeitsplatz versetzen oder dem Opfer alternativ einen anderen Arbeitsbereich anbieten. Beide Varianten dienen dazu, das Opfer vor weiteren Übergriffen zu schützen. Letztendlich muss sich der Täter oder die Täterin bei wiederholter (minder schwerer)  Belästigung auf eine Kündigung einstellen, je nach Schweregrad auch ohne vorherige Abmahnung und unter Umständen fristlos. Neben diesen arbeitsrechtlichen Konsequenzen droht der Täterin oder dem Täter eine Geld- oder Freiheitsstrafe, wenn die Tat strafrechtlich verfolgt wird. Das geschieht allerdings nur auf dem Rechtsweg, wenn eine Anzeige erstattet wird. 

Was muss mein Arbeitgeber bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz tun?

Kurz gesagt: Erfährt Ihr Arbeitgeber von Vorwürfen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, muss er handeln. Dazu verpflichtet ihn laut BGB die Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern, die er vor körperlichem oder seelischem Schaden schützen muss. 

Ganz konkret sind Arbeitgeber laut AGG sogar dazu verpflichtet, ihre Beschäftigten vor sexuellen Übergriffen zu schützen. Das bedeutet, dass Arbeitgeber etwa auch Präventions- und Informationsmaßnahmen ergreifen müssen, die das Arbeitsumfeld in puncto Belästigung sicherer gestalten. 

Zudem muss der Arbeitgeber laut AGG eine Beschwerdestelle für Opfer einrichten, generell jede Beschwerde ernst nehmen und im Einzelfall prüfen. Zu den Pflichten des Arbeitgebers gehört auch, im Fall einer sexuellen Belästigung, Schutzvorkehrungen zu treffen, damit sich Vorfälle dieser Art mit den beteiligten Personen nicht wiederholen können. 

In Ihrem Unternehmen werden diese Vorgaben bereits umgesetzt? Sehr gut! Falls nicht, machen Sie Ihren Arbeitgeber auf seine Pflichten aufmerksam. Umso geringer ist auch sein Haftungsrisiko und umso deutlicher bekommen alle Beschäftigten vor Augen geführt, dass sexuelle Belästigung in Ihrem Unternehmen – egal in welcher Form – nicht geduldet, ernsthaft verfolgt und streng geahndet wird. 

Wo finde ich Hilfe bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz?

Wenn Sie Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sind oder waren, können Sie sich an die Beschwerdestelle oder den Betriebsrat in Ihrem Unternehmen wenden. Falls beides nicht existiert oder Sie lieber grundsätzlich außerhalb Ihres Unternehmens Rat suchen wollen, bieten sich insbesondere diese zwei Anlaufstellen an:

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