Inklusion am Arbeitsplatz geht jedes Unternehmen an
Rund 7,9 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer Schwerbehinderung (Quelle: DESTATIS, Juni 2022). Sie haben ein Anrecht auf Teilhabe am Arbeitsmarkt. Leider finden sie auf dem ersten Arbeitsmarkt häufig keine Anstellung. Dabei sind auch Unternehmen, die heute noch Berührungsängste haben, gefordert, sich mit der Einstellung von Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Denn das Thema kann jeden betreffen. Die Mehrzahl der Betroffenen erwirbt die Schwerbehinderung im Laufe ihres Lebens, etwa infolge eines Unfalls oder einer Erkrankung.
Beschäftigen sich Arbeitgeber proaktiv mit ihren Möglichkeiten, Mitarbeitern mit Behinderung eine Aufgabe zu geben, profitieren sie von einem positiven Arbeitgeberimage, guten und leistungsfähigen Mitarbeitern und vorteilhaften Auswirkungen auf das Betriebsklima.
Definition: Inklusion am Arbeitsplatz
Das deutsche Wort Inklusion leitet sich von dem lateinischen Wort „includere“ ab. Übersetzt bedeutet es so viel wie „einschließen, einfügen“. Mit Inklusion ist gemeint, Menschen am Arbeitsplatz einzubeziehen und in die Gemeinschaft zu integrieren. Konkret bedeutet Inklusion in Unternehmen, Mitarbeitern mit Behinderung die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt einzuräumen, die auch anderen Menschen offenstehen.
Dies setzt zum einen eine Vielfalt von Maßnahmen voraus, um Arbeitsplätze barrierefrei zu gestalten. Inklusion in der Arbeitswelt bedeutet allerdings auch einen respektvollen Umgang der Belegschaft und Vorgesetzten mit Menschen mit Behinderung, ein hohes Maß an Fairness und gegenseitige Hilfsbereitschaft. Ziel der Inklusion am Arbeitsplatz ist jedoch nicht, Kollegen mit Behinderung bevorzugt zu behandeln. Sie sollen lediglich jene Unterstützung erfahren, die sie benötigen, um ihr Leistungspotenzial auszuschöpfen.
Schwerbehinderung: Was ist das?
Von einer Schwerbehinderung spricht man, wenn einem Menschen aufgrund der Schwere seiner Einschränkungen ein Grad der Behinderung von mindestens 50 eingeräumt wird. Dies kann aus einer Gehbehinderung, Blindheit oder Gehörlosigkeit resultieren. Häufig ist die schwere Behinderung jedoch für die Kollegen nicht erkennbar, etwa wenn sie auf Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder schwerem Asthma sowie psychischen Erkrankungen beruht. Deshalb sollten Arbeitgeber Behinderte niemals nur nach dem Papier beurteilen, sondern den Menschen hinter dem Schwerbehindertenausweis kennenlernen.
Vorteile von Inklusion im Unternehmen
Auch wenn es dafür keinen wissenschaftlich fundierten Nachweis gibt, zeigen die Erfahrungen von inklusiv arbeitenden Unternehmen, dass die Inklusion in der Arbeitswelt nahezu immer positive Auswirkungen hat. Insbesondere zieht sie folgende Vorteile nach sich:
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Mitarbeiterbindung
Menschen mit Behinderung, die von einem Arbeitgeber eine Chance erhalten, binden sich oft sehr eng ans Unternehmen und bleiben ihm über viele Jahre treu.
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Innovationsfähigkeit
Beeinträchtigte Mitarbeiter bringen neue Perspektiven ins Unternehmen ein und tragen so zu mehr Innovationskraft bei.
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Arbeitgebermarke
Diversität und Inklusion sind wichtige Werte, die auch Bewerber ohne Behinderung zu schätzen wissen.
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Widerstandsfähigkeit
Menschen mit Behinderungen sind es oft aus vielen Jahren Lebenserfahrung gewohnt, Herausforderungen zu bewältigen und Herausforderungen zu trotzen. Viele bringen eine hohe Widerstandsfähigkeit und Stressresistenz mit.
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Leistung
Betroffene wollen nur zu gerne unter Beweis stellen, dass sie ebenso leistungsfähig sind wie ihre Kollegen. Sie zeichnen sich in vielen Fällen durch eine überdurchschnittlich hohe Motivation und Leistungsbereitschaft aus.
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Betriebsklima
Menschen mit Behinderung bringen neue Perspektiven, flexible Denkweisen und kreative Ansätze ein. Dies befördert ein positives Betriebsklima.
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Fachkräfte
Menschen mit Handicap sind oft sehr gut ausgebildet, haben aber mangels Inklusion am Arbeitsmarkt nie eine Chance bekommen. Arbeitgeber, die diese Ressourcen nutzen, gewinnen häufig sehr gute Fachkräfte.
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Finanzielle Vorteile
Die Beschäftigung von Menschen mit speziellen Bedürfnissen verursacht zwar Kosten. Auf der anderen Seite gibt es aber in vielen Bundesländern finanzielle Unterstützung in Form von Förderprogrammen und Bundesmitteln.
Die Inklusion von Mitarbeitern mit Behinderungen bringt größeren Arbeitgebern einen weiteren finanziellen Vorteil: Ab 20 beschäftigten Mitarbeitern im Jahresmittel müssen sie mindestens 5 % der Arbeitsplätze mit Menschen mit einer Schwerbehinderung besetzen (Pflichtquote) oder alternativ eine Ausgleichsabgabe zahlen. Ab 2024 sind die Sätze für die Ausgleichsabgabe stark angestiegen – das wird für Arbeitgeber richtig teuer, die sich nicht mit der Inklusion bei der Arbeit beschäftigen. Schon mit wenigen mit Menschen mit Schwerbehinderung besetzten Arbeitsplätzen sinkt die Abgabe signifikant.
Tipp:
Der Inklusion am Arbeitsplatz steht die Annahme vieler Arbeitgeber entgegen, dass Menschen mit Schwerbehinderung unkündbar seien. Dies ist so jedoch nicht korrekt. Bei der Kündigung Betroffener ist es lediglich erforderlich, vorab das Integrationsamt anzuhören, um eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung zu vermeiden.
Menschen mit Behinderung einstellen
Unternehmen, die sich dafür entscheiden Menschen mit Behinderung einzustellen, erhalten nicht nur wertvolle Teammitglieder. Sie beweisen obendrein, dass sie Verantwortung übernehmen. Wer sich auf den Weg machen will, Menschen mit schwerer Behinderung im Unternehmen zu integrieren, sollte auf das Know-how von Experten vertrauen. Nehmen Sie dafür zum Beispiel eine Beratung durch die Agentur für Arbeit oder das Integrationsamt in Anspruch. Es besteht die Möglichkeit, etwaige Mehraufwände durch Lohnzuschüsse zu kompensieren. Bis zu 96 Monate lang kann der Arbeitgeber bis zu 70 % des Gehalts vom Integrationsamt zurückbekommen, wenn er einen Menschen mit schwerer Behinderung einstellt.
Es ist zudem hilfreich, sich Unterstützung von erfahrenen Unternehmen zu holen. Randstad ist bereits seit vielen Jahren Unterzeichner der Charta der Vielfalt und Mitglied im UnternehmensForum, einem bundesweiten Zusammenschluss von Unternehmen aller Branchen, die Menschen mit Einschränkungen oder Leistungsminderung die volle Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen wollen.
Inklusives Arbeitsumfeld
Grundlage der Inklusion von Mitarbeitern mit speziellen Bedürfnissen ist stets ein inklusives Arbeitsumfeld. Dieses erlaubt es ihnen, ihre Leistung abzurufen und ihre Chancen in der Arbeitswelt wahrzunehmen. Um Inklusion umzusetzen, können Arbeitgeber unter anderem diese Maßnahmen ergreifen:
- Einbau von Fahrstühlen zur Verbesserung der barrierefreien Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes
- Schaffung behindertengerechter Toiletten
- Einbau rollstuhlgerechter Türen
- Barrierefreier Zugang zum Gebäude (z. B. durch Rampen)
- Einsatz von höhenverstellbaren Schreibtischen für wechselndes Sitzen und Stehen bei der Arbeit
- Visuelle Hilfsmittel zur Verbesserung der Lesbarkeit von Dokumenten oder Anzeigen
- Optionen zur Verbesserung der barrierefreien Kommunikation (z. B. Gebärdendolmetscher für Gehörlose)
- Angebot flexibler Arbeitszeiten und -orte
Inklusion in der Arbeitswelt geht allerdings deutlich über die Schaffung eines inklusiven Arbeitsumfelds hinaus. Sie bezieht sich vor allem auf den Umgang miteinander.
Strategien für Inklusion bei der Arbeit
Inklusion am Arbeitsplatz kann sehr unterschiedliche Formen annehmen – und richtet sich immer nach den individuellen Bedürfnissen des Arbeitnehmers. Die folgenden Beispiele zeigen, wie die Inklusion der Mitarbeiter in der Praxis aussehen kann:
- Anpassung des Aufgabengebiets einer Stelle, sodass ein Mitarbeiter mit Einschränkungen diese ausfüllen kann
- Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes in der technischen Verwaltung für eine Fachkraft, die infolge eines Unfalls im Rollstuhl sitzt
- Rollstuhlgerechter Umbau des Unternehmens für eine Mitarbeiterin im Rollstuhl
- Nachrüstung eines Computers mit Braille-Zeile für eine blinde Mitarbeiterin
- Ersatz akustischer Signale durch Lichtsignale für einen gehörlosen Arbeitnehmer
In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Inklusionsbetrieben, von denen etliche – aber nicht alle – einen gemeinnützigen Charakter haben und verglichen mit der Pflichtquote deutlich mehr Menschen mit Handicap einen inklusiven Arbeitsplatz bieten. Die folgenden Best Cases zeigen, wie Inklusion in der Arbeitswelt funktioniert (Stand der Angaben: 2024):
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CAP-Supermärkte
Die CAP-Supermärkte beschäftigen mehr als 1.500 Mitarbeiter in ganz Deutschland, davon über die Hälfte mit Einschränkungen. Hier bringen die Mitarbeiter ihr Potenzial im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein und engagieren sich etwa im Lieferservice, beim barrierefreien Einkaufen oder beim begleiteten Einkaufen.
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AkkuRat Wismar
Die AkkuRat Wismar GmbH betreibt „Die Möwe“, eine Küche, in der Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten. Sie beliefern Kindertagesstätten und Schulen mit Essen und bieten Caterings an.
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Vollkornbäckerei siebenkorn
Die Marburger Bäckerei hat ein besonderes Inklusionsprojekt ins Leben gerufen. Rund 15 Mitarbeiter mit Schwerbehinderung arbeiten in der Bäckerei, Konditorei, im Versand oder im Büro. Mit speziell angepassten Arbeitsplätzen macht das Unternehmen die Stärken der Arbeitnehmer mit Handicap für das Unternehmen nutzbar und gibt ihnen eine Aufgabe.
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Albkult
Albkult ist ein Unternehmen, das sich den schönen Dingen rund um das Zuhause verschrieben hat. Mehr als 600 Menschen arbeiten in den Werkstätten des gemeinnützigen Unternehmens zusammen, um neue Produkte zu entwickeln, diese herzustellen und zu verkaufen – darunter viele Menschen mit Handicap.
Bei vielen Unternehmen, die bislang noch nie einen Bewerber mit Schwerbehinderung eingestellt haben, besteht anfangs eine hohe Hemmschwelle. Eine gute Möglichkeit für den Einstieg bieten Praktika. In diesem Rahmen können Arbeitnehmer und Arbeitgeber herausfinden, ob sie zueinanderpassen, welche Anpassungen des Arbeitsplatzes für eine Beschäftigung erforderlich wären und wie die künftigen Kollegen mit der Situation umgehen.
Auch das sogenannte Job Carving bietet interessante Ansatzpunkte für die Beschäftigung von Menschen mit Handicap und deren Inklusion am Arbeitsplatz. Dabei werden mehrere Einzeltätigkeiten zu einem neuen Stellenprofil zusammengefasst, das ein Mensch mit Behinderung übernehmen kann. So entsteht ein neuer Arbeitsplatz für mehr Inklusion.
Schulung zur Inklusion der Mitarbeiter
Es ist nicht damit getan, einen Mitarbeiter mit Behinderung einzustellen und ihm einen angepassten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Gelungene Inklusion erfordert, dass alle im Unternehmen an einem Strang ziehen. Die Vorgesetzten gehen mit gutem Vorbild voran, die Kollegen sind hilfsbereit und beziehen den Mitarbeiter mit Handicap ein, Vorurteile werden bewusst abgebaut.
In diesem Zusammenhang bieten sich Workshops für die Sensibilisierung der Mitarbeiter an. In Disability Awareness Workshops lernen sie, bestehende Vorurteile zu erkennen und diese abzubauen. Weitere mögliche Themen für Seminare und Schulungen sind etwa eine inklusive Kommunikation im Unternehmen, die Barrierefreiheit oder das Thema Diversität.
Ziel ist, eine inklusive Unternehmenskultur zu schaffen, durch die der Arbeitgeber Inklusion vorlebt und in Gang setzt. Diese Kultur besteht aus vielen kleinen Einzelheiten, dank derer sich Mitarbeiter mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen wohl und willkommen fühlen, zum Beispiel:
- Eine lockere Atmosphäre, in der jeder offen mit seiner Behinderung umgehen kann
- Chancengleichheit für alle Mitarbeiter, unabhängig von ihrem Hintergrund
- Einbindung von Mitarbeitern mit Behinderung in Entscheidungen und Gespräche
- An die Beeinträchtigung angepasste Kommunikation (z. B. schriftlich bei Gehörlosen)
- Eine inklusive Sprache, die niemanden direkt oder indirekt diskriminiert
Eine schöne Idee im Umgang mit Gehörlosen ist zum Beispiel, wenn die direkten Kollegen gemeinsam auf Firmenkosten einen Gebärdenkurs besuchen, in dem sie die wichtigsten Gebärden für die tägliche Zusammenarbeit erlernen. So funktioniert Inklusion am Arbeitsplatz.
Herausforderungen bei der Inklusion
Keine Frage: Inklusion im Unternehmen ist nicht immer ganz einfach. Die einen stoßen auf Gegenwind oder enorme bürokratische Hürden, andere wiederum scheitern schon an den internen Voraussetzungen:
- Es bestehen Vorbehalte gegenüber Menschen mit Behinderung, etwa was deren Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit angeht.
- Intern ist kein ausreichendes Know-how vorhanden, um Arbeitsplätze barrierefrei einzurichten und an die Bedürfnisse von Menschen mit Handicap anzupassen.
- Die Kollegen haben Vorbehalte oder auch Angst, sich falsch zu verhalten, und schließen den neuen Kollegen deshalb bewusst oder unbewusst aus, statt ihn zu integrieren.
- Die Einstellung von Mitarbeitern mit Schwerbehinderung kann einen enormen bürokratischen Aufwand nach sich ziehen. Häufig mischen mehrere Behörden und Institutionen mit.
- Arbeitgeber fürchten die Kosten für die Inklusion im Unternehmen, ob für die Anpassung von Arbeitsplätzen oder die Beauftragung von Betreuungskräften oder Gebärdendolmetschern.
Um Hindernisse zu überwinden und Herausforderungen zu meistern, können Arbeitgeber einen Inklusionsberater beauftragen. Dieser unterstützt sie dabei, ihre Herausforderungen in Bezug auf die Inklusion im Unternehmen zu analysieren und zu meistern. Er begleitet Arbeitgeber dabei, eine individuelle Inklusionsstrategie zu erarbeiten, Schulungen zur Sensibilisierung zu planen und Richtlinien und Prozess für Inklusion zu etablieren.
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weiterlesenFragen und Antworten
Hier beantworten wir Fragen rund um das Thema Inklusion im Unternehmen.
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Was versteht man unter Inklusion im Unternehmen?
Inklusion am Arbeitsplatz bedeutet, Mitarbeitern mit einer Behinderung oder Schwerbehinderung dieselben Chancen einzuräumen, die auch andere Arbeitnehmer des Unternehmens haben. Es bedeutet aber auch, Arbeitsplätze so zu gestalten, dass Mitarbeiter trotz ihrer Einschränkungen ihre Leistung abrufen können.
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Gibt es für die Inklusion am Arbeitsplatz eine Förderung?
Arbeitgeber können bei Erfüllen der Voraussetzungen Unterstützungsleistungen bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen, etwa in Form eines Eingliederungszuschusses oder einer Kostenerstattung für Probebeschäftigungen. Zudem gibt es Förderprogramme auf Bundes- und Länderebene wie die Prämie „Initiative Inklusion“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
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Wie fördern Arbeitgeber die Inklusion im Unternehmen?
Arbeitgeber können mit Schulungen und Workshops daran arbeiten, eine inklusivere Unternehmenskultur zu schaffen. Zudem besteht die Möglichkeit, durch alternative Beschäftigungsmodelle, flexible Arbeitszeiten und eine individuelle Anpassung von Arbeitsplätzen die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben zu ermöglichen.