Interview mit Shezan Kazi, Program Director Perm & Head of AI Strategy bei Randstad Deutschland
Künstliche Intelligenz dringt in alle Branchen und Arbeitsbereiche vor. Auch in deinen?
KI ist ein wichtiger und spannender Bestandteil meiner Arbeit. Und nicht erst seit gestern. Schon 2019 war ich einer der ersten Beta-User von Open AIs GPT. Seither bin ich begeistert von den Möglichkeiten, aber auch sehr aufmerksam, was die Rahmenbedingungen für die verantwortungsvolle Nutzung der Technologie angeht. Experimentieren ist wichtig, um neue Anwendungsbereiche zu testen und Erfahrungswerte für die künftige Zusammenarbeit von KI und Mensch zu sammeln. Denn eines steht fest: Die Zukunft ist datenbasiert.
Welche Risiken sind mit dem Einsatz von KI im Recruiting verbunden, insbesondere im Hinblick auf Inklusion und Vielfalt?
Das Potenzial, aber auch das Risiko liegen in der rasanten Entwicklung, die Künstliche Intelligenz vollzieht. Das Potenzial von KI ist aus meiner Sicht unbegrenzt. Entscheidend ist jedoch, welche Richtlinien wir festlegen, um einen transparenten und verantwortungsvollen Umgang mit ihren Chancen und Risiken zu gewährleisten. Derzeit befinden wir uns in der frühesten Entwicklungsphase von KI, und es ist schwer vorstellbar, wo wir in fünf Jahren stehen werden. Je komplexer die KI-Modelle sind, desto wichtiger ist die Sensibilisierung für die verantwortungsvolle Datennutzung.
Das gilt insbesondere für den HR-Bereich, wo es um persönliche Daten von Menschen geht, auf deren Grundlage Entscheidungen getroffen werden, die große Auswirkung auf ihre beruflichen Chancen und damit ihre Zukunft haben. Deshalb setzen wir uns bei Randstad nicht nur mit den Möglichkeiten auseinander, sondern haben uns auch eindeutige Leitplanken gesetzt, wie wir KI sinnvoll und verantwortungsvoll zur Unterstützung einsetzen. Denn eines ist bereits jetzt ganz klar: KI bietet großes Potenzial für Produktivitätsverbesserungen, auch und vor allem im Personalmarketing und Recruiting.
KI schafft mehr Effizienz. Wie fördert das die Vielfalt und Inklusion im Recruiting?
Gerade bei der Individualität von menschlichen Fähigkeiten und Eigenschaften ergibt sich ein wichtiger Handlungspunkt. Unter der Bewerberschaft möglichst viele Kandidat:innen gezielt anzusprechen und einzubeziehen, das ist das Ziel. Und KI kann dabei helfen, es zu erreichen. Denn sie treibt den Wandel von statischem zu dynamischem Content massiv voran. Online-Content wie Stellenanzeigen oder Artikel lassen sich im Sinne einer dynamischen Customer Experience individueller gestalten.
Bewerber individueller und effizienter zu erreichen, dafür sind Stellenanzeigen das beste Beispiel. Texterstellung, Lektorat, Finetuning und Aussteuerung funktionieren mit KI deutlich effizienter. Angefangen bei der Keyword-Recherche, hilft KI auch in der Textarbeit, die Anzeige gezielt auf das Suchprofil hin auszurichten und auf der Grundlage unserer Randstad-eigenen Kriterien aufzusetzen. KI-Tools unterstützen bei der Aussteuerung auf den entsprechenden Kanälen und Formaten sowie Überprüfung der Performance der geschalteten Stellenanzeigen.
Am Ende braucht es aber immer die menschliche Beurteilung und das Gespür, wie die Bewerberzielgruppe zu erreichen und zu überzeugen ist. Gerade, weil es um individuelle menschliche Fähigkeiten und Eigenschaften geht, die gesucht werden, gilt es, offen und einbeziehend zu kommunizieren. Offenheit, Vielfalt und Gleichberechtigung sind Prinzipien, die bei uns tief verankert sind. Weil wir Menschen in Jobs bringen – und zwar in die, die genau zu ihnen passen und sie weiterbringen.
Randstad Studien zeigen, dass Personalverantwortliche das Potenzial von KI erkennen, es aber zögerlich für ihr Unternehmen nutzen. Wo sind die Hürden?
Aktuell befinden wir uns in einer Phase des Experimentierens und Pilotierens. Es gibt nur ganz wenige Unternehmen, die sich noch nicht mit KI auseinandersetzen. Das ist aus meiner Sicht ein gutes Zeichen. KI zu institutionalisieren und zu skalieren, dafür braucht es Zeit. Und gerade in HR kommt schon mehr KI zum Einsatz, als vielen bewusst ist. Auch deshalb sind Transparenz und verbindliche Regeln entscheidend. Und Kontrolle. Das ist aufwändig: KI mit einer großen und differenzierten Datenbasis trainieren, die Ergebnisse der KI-gestützten Recruitingtools regelmäßig überprüfen, um potenzielle Vorurteile oder Diskriminierungen zu identifizieren. Aber genau das muss das Ziel sein.
Wie gestaltet und regelt Randstad den Umgang mit Künstlicher Intelligenz?
Mit „Responsible AI“ haben wir uns bei Randstad KI-Prinzipien gesetzt, die den Umgang mit der Technologie unternehmensübergreifend regeln. Das ist für uns der zentrale Leitsatz: Bei jedem Prozess, in dem KI involviert ist, behält ein Mensch die Kontrolle und trifft die Entscheidung. Die Nutzung von KI erfordert nicht nur Verantwortung, sondern auch Transparenz. Schließlich werden in Bereichen wie HR Entscheidungen getroffen, die die beruflichen Möglichkeiten von Menschen unmittelbar betreffen. Kenntlich zu machen, wo KI in Prozesse eingreift, und Entscheidungsoptionen zu bieten, wird ein wichtiger Standard werden, auch weil der Output immer realistischer bzw. menschennaher wird.
Welche Entwicklungen oder Trends siehst du für die Zukunft von KI im Bereich des inklusiven Recruitings?
Die Nutzung von KI für ein inklusives Recruiting erfordert nicht nur Verantwortung, sondern auch Verständnis und Geduld. Das lässt sich mit dem Cookie-Consent-Disclaimer vergleichen. Für die User-Experience ist er nicht besonders bequem, aber enorm wichtig. Ein Recht auf einen Opt-out ist wichtig, also die Möglichkeit zu entscheiden: „Ich will nicht von KI beurteilt werden, sondern möchte, dass ein Mensch auf mich und beispielsweise meine Bewerbung schaut.“
New Work Trendreport #4
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