Beide arbeiten in Vollzeit, teilen sich aber einen Titel: Judith Scondo und Manuela Töpfer besetzen seit Mai 2021 gemeinsam die Position des Head of Communications in der dfv Mediengruppe. Ein außergewöhnlicher Schritt – für die beiden und das Unternehmen. Denn die Führungsposition war nicht als Doppelspitze, Jobsharing-Position oder für ein Tandem ausgeschrieben. Und doch überzeugte die gemeinsame Bewerbung der beiden Medienprofis. Warum sie sich zu diesem Schritt entschieden und wie Mitarbeitende sowie Unternehmen davon profitieren, erfahren Sie im Interview.
Judith Scondo und Manuela Töpfer
Gemeinsam teilen Sie sich die Position der Kommunikationschefin in der dfv Mediengruppe. Wie kam es dazu?
Judith Scondo: Manuela und ich arbeiten schon längere Zeit gemeinsam in einem Team. Wir pflegen einen sehr offenen Austausch. Als absehbar war, dass die Leitungsfunktion neu besetzt wird, haben wir darüber gesprochen, wie wir damit umgehen wollen – und haben die Situation ziemlich ähnlich eingeschätzt: Wir haben coole Ideen, Spaß daran, sie zu entwickeln und umzusetzen – und teilen einen enormen Gestaltungswillen. Wir beide haben uns das zugetraut. Also haben wir beschlossen, dass wir die Abteilung gemeinsam am besten voranbringen können. Wir haben dann ein Konzept entwickelt und es vorgestellt – und den Job letztlich auch gemeinsam bekommen.
Die Stelle war aber nicht für ein Jobsharing vorgesehen. Gesucht wurde eine Person, die die Kommunikation leitet. Woher wussten Sie, dass die gemeinsame Bewerbung erfolgreich sein könnte?
Manuela Töpfer: Die Zeichen standen intern gut, als wir uns 2019 für die Position ins Spiel gebracht haben. Das gesamte Unternehmen hatte einen Transformationsprozess begonnen. Die Management-Strukturen hatten sich geändert. Aber wenn wir nicht aktiv etwas gesagt hätten, wäre es sicher nicht so gekommen. Wir hätten uns allerdings auch beworben, wenn die Ausgangslage eine andere gewesen wäre. Man muss einfach auch mal mutig sein.
Wie funktioniert die Arbeit in einem Jobsharing-Modell? Arbeitet jede von Ihnen jetzt nur die Hälfte?
Judith Scondo: Es gibt unglaublich viele Begriffe für diese neuen Arbeitsmodelle: Top-Sharing, Jobsharing, Doppelspitze, Tandem und so weiter. Aber sie alle sind noch nicht ausdefiniert. Deswegen kann man die Frage nicht so pauschal beantworten. Wir würden uns eher als Doppelspitze bezeichnen. Das bedeutet, wir haben dieselbe Bezeichnung, wir leiten unser Team gemeinsam, aber wir haben trotzdem zwei volle Stellen.
Manuela Töpfer: Wir verteilen auf zwei Köpfe, was früher vielleicht eine Person mit vielen Überstunden pro Woche auf einer Position geleistet hat – und dann dafür wahrscheinlich auch qualitativ nicht mehr so gut. Unser Modell hat viele Vorteile: Wir haben das doppelte Know-how, die doppelte Power und eine 360-Grad-Sicht. Diese Aufteilung irgendwann wieder aufzulösen, wäre aus meiner Sicht ein Downgrade und auch eher schwierig.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit als Duo aus?
Manuela Töpfer: Wir haben Schwerpunkte definiert, die sich mit unseren Interessen und Zielen immer weiterentwickeln. Judith hat viel Spaß an der internen Kommunikation und Bewegtbild, ich habe mehr Spaß an Marktforschung und Verbandsarbeit. Wir ergänzen uns sehr gut.
Judith Scondo: Für uns ist dennoch wichtig, dass jede für jede einspringen kann. Wir haben einen großen gemeinsamen Nenner und sprechen jeden Tag miteinander.
Manuela Töpfer: Wir gehen sehr offen miteinander um. Auch Patt-Situationen kommen vor, aber keine von uns will mit dem Kopf durch die Wand. Unser Alltag ist so dynamisch, da ist kein Platz für Tauziehen – und das ist auch nicht, was wir wollen. Wir geben uns gegenseitig Feedback, aber respektieren die Entscheidungen der anderen. Wir lernen viel miteinander – und mit unserem Team.
Und wie läuft die Zusammenarbeit im gesamten Team ab?
Judith Scondo: Wir befinden uns gerade noch im Aufbau. In der Ansprache ist es also so, dass wir z. B. beide mit unserer Volontärin sprechen. Wir beide geben ihr Feedback und wir beide geben ihr Aufgaben. Manuela und ich reden dabei auch immer wieder miteinander und tauschen uns aus, um auf einer Linie zu sein.
Manuela Töpfer: Die gemeinsame Führung kommt gut an, also auch wie Judith und ich uns supporten und ergänzen. Ideen werden viel schneller konkret und unsere jetzige Volontärin profitiert auch von Uneinigkeit, wie sie mir verraten hat. Sie nimmt sehr viel aus der Argumentation im Team mit. Bei einer Entscheidungsfindung auf dieser Basis ist dann auch die Akzeptanz viel größer.
Ab und an ist es für unsere Volontärin in der Abwägung etwas komplizierter. Beispielsweise, wenn es um die Frage geht, was stimme ich mit wem ab und wie gehe ich vor? Wer braucht welche Infos? Aber bislang klappt es ganz gut.
Für welche Personen kann ein Jobsharing infrage kommen?
Manuela Töpfer: In der Diskussion um Sharing-Modelle muss man irgendwann zu einer Definition kommen. Die Ausgestaltung ist so differenziert, dass man schnell auch aneinander vorbeiredet, wenn man vom Sharing spricht. Deswegen ist es nicht einfach zu sagen, wer infrage kommt. Bei unserem Modell der Doppelspitze ist es von Vorteil, dass wir so unterschiedlich sind. Vor allem ist wichtig, dass wir uns vertrauen und dass man sich auch mal zurücknehmen kann. Man muss dem anderen Erfolge gönnen und diese kräftig mitfeiern.
Judith Scondo: Da stimme ich voll und ganz zu. Generell muss man den anderen strahlen lassen können. Wenn man immer Angst hat, ins Hintertreffen zu gelangen, dann ist das schwierig. Die Frage ist oft: Geht es mir darum, Macht und eine Führungsposition zu haben? Oder geht es mir darum, ein Umfeld zu haben, in dem ich umsetzen kann, was ich umsetzen möchte? Jobsharing ist also nicht nur eine Modell-, sondern auch eine Typ-Frage.
Funktioniert Jobsharing also nur, wenn zwei Personen sich vorab zusammenfinden und das Modell gemeinsam vorschlagen?
Judith Scondo: In unserem Fall war das der beste Weg. Es ist aber sicherlich auch möglich, dass Unternehmen Jobs als Tandem oder als Jobsharing ausschreiben und sich dann zwei Menschen für eine Stelle matchen. Nur ist das der schwierige Weg, weil sich für eine erfolgreiche Besetzung viel auf der persönlichen Ebene entwickeln muss.
Manuela Töpfer: Ob man sich kennt oder nicht, man muss miteinander verhandeln können. Der Erfolg hängt davon ab, wie sehr man es gemeinsam will. Bei uns im Unternehmen nimmt das Thema schon seit längerer Zeit Fahrt auf. Es wird intern viel diskutiert. Mittlerweile gibt es auch andere Positionen mit einer Doppelspitze. In unserem Transformation-Office haben wir beispielsweise ein gemischtes Doppel aus einer Frau und einem Mann mit etwas größerem Altersunterschied, die den gleichen Titel und die gleichen Leitungsfunktionen haben. Das finde ich sehr spannend.
Judith Scondo: Es gibt viele Berufe, bei denen sich Aufgaben klarer verteilen lassen. Da kann die eine Person beispielsweise vormittags die eine Hälfte der Aufgaben erledigen und die andere nachmittags den Rest. Das verlangt aber nach einem viel strengeren Sharing-Modell als das unsere.
Wie können Unternehmen mit dieser Entwicklung zu alternativen Arbeitsmodellen umgehen?
Manuela Töpfer: Es geht kein Weg daran vorbei, sich damit auseinanderzusetzen. Alle Unternehmen suchen händeringend nach Arbeitskräften. Wenn Unternehmen wirklich Talente gewinnen und halten wollen, dann muss das mit dem Spirit von New Work einhergehen.
Es gibt doch nichts Besseres für Unternehmen, als sich von den Ideen der eigenen Mitarbeitenden inspirieren zu lassen. Wenn jemand mit einer Vision zu dir kommt und intrinsisch motiviert ist, dann sollte man der Person kein altes Arbeitsmodell aufzwingen, in dem sie sich nicht entfalten kann. Als Mitarbeitender sollte man bei Arbeitgebern damit offene Türen einrennen können und dürfen. Gerade wenn es um die interne Vergabe von Stellen geht, lassen Unternehmen ohne diese Flexibilität viele gute Chancen verstreichen, sich und ihre Mitarbeitenden weiterzuentwickeln.
Sie haben gerade New Wok erwähnt. Sehen Sie Ihr Sharing-Modell als New Work Thema?
Judith Scondo: Auf jeden Fall, ja. Bei New Work geht es darum, eine gemeinsame neue Arbeitsweise zu schaffen. Weg zu gehen von ‚Das war schon immer so‘ und hin zu ‚Wie können wir gemeinsam am meisten erreichen?‘. Das ist sicher nicht immer einfach, vor allem für den Arbeitgeber, denn Neuland zu betreten erfordert Mut und Vertrauen.
Manuela Töpfer: Diese beiden Schlagworte gehören für mich beim Thema New Work zu den wichtigsten Faktoren. Arbeitnehmende müssen mutig sein, auch mal etwas neu zu denken, und mutig sein, das auch vorzuschlagen. Und Unternehmen müssen ein größeres Vertrauen zu ihren Mitarbeitenden aufbauen und lernen, öfter mal zu sagen: Die wissen, was sie tun, deswegen haben wir sie ja auch eingestellt. Das ist für mich New Work.
New Work Trendreport #2
In mehreren Teilen befasst sich die New Work Studie von Randstad mit der Frage, wie sich die neue Arbeitswelt weiterentwickelt. Der zweite New Work Trendreport beantwortet die Frage: Wie divers sind deutsche Unternehmen? Jetzt Trendreport #2 kostenlos downloaden!