Altersdiskriminierung bei Stellenausschreibungen

Wenn Arbeitgeber neue Mitarbeiter suchen, müssen sie rechtlich einiges beachten. So dürfen sich Stellenanzeigen an kein bestimmtes Geschlecht richten. Die weibliche Besetzung des Sekretariats zum Beispiel mag sich der Unternehmer vielleicht wünschen, explizit danach suchen darf er jedoch nicht. Ähnliches gilt für das Alter. Sofern keine zwingenden Gründe vorliegen, machen sich Arbeitgeber nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) strafbar, wenn sie neue Mitarbeiter ausschließlich in einem ausgesuchten Lebenszyklus suchen. Altersdiskriminierung hat viele Gesichter. Berufsanfänger ohne Erfahrung, potenzielle Mütter und ältere Mitarbeiter werden von Personalverantwortlichen häufig unterschätzt, wenn diese die Zuverlässigkeit, Leistung und Qualifikation mit dem Alter der Beschäftigten in Verbindung bringen. Welche Möglichkeiten Betroffene in so einem Fall haben, lesen Sie in diesem Beitrag.

1

Was fällt unter Altersdiskriminierung im Job?

Wird ein Arbeitnehmer im Beruf oder bei der Suche nach einem Arbeitsplatz allein aufgrund seines Alters benachteiligt, gilt das als Altersdiskriminierung. Sofern Mitarbeiter eine Ungleichbehandlung im Sinne des AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) nachweisen können, steht ihnen Schadensersatz zu. Doch genau da ist das Problem: Die Beweislast liegt beim Arbeitnehmer. Während einige Formulierungen mehr als deutlich erkennbar sind, zum Beispiel die „Junge IT-Fachkraft für den Digitalisierungsauftrag“ eines Unternehmens, sind andere subtiler und damit schwerer zu belegen. Was passiert, wenn der jüngere Kollege den älteren als Dinosaurier bezeichnet? Ist das bereits strafbar oder nur ein lustiger Running Gag innerhalb des Teams? Wie sieht es aus, wenn die junge hochmotivierte Frau Ende zwanzig, die ständig beste Ergebnisse abliefert, keine Beförderung bekommt, dafür aber der weniger qualifizierte Kollege Ü40, der weder gute Leistungen erbringt noch entsprechende Ambitionen erkennen lässt? Oder wenn dem Kollegen kurz vor seinem 60. Geburtstag die Fortbildung versagt wird, mit der Begründung, es würde sich nicht mehr lohnen?

 

Ein Arzt geht mit verschränkten Armen durch einen Krankenhausflur.
Ein Arzt geht mit verschränkten Armen durch einen Krankenhausflur.

Mangelnde Wertschätzung älterer Arbeitnehmer

Auch wenn sich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gegen eine Diskriminierung aller Altersstufen richtet, betrifft Altersdiskriminierung tatsächlich vorwiegend ältere Menschen. Laut der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e. V. geraten immer mehr Beschäftigte über 55 Jahren auf das berufliche Abstellgleis und werden von ihren jüngeren Kollegen überholt. Ihnen wird nicht nur mangelndes digitales Verständnis unterstellt, sondern auch Ehrgeiz, Beweglichkeit und Offenheit abgesprochen. Sie sollen einen einseitigen Blick auf die Welt haben, mit Scheuklappen durch die berufliche Arena schreiten und dabei die Belange aller anderen in den Wind schlagen.

Wenn Jugendliche ihren Eltern unterstellen, nichts, aber auch gar nichts von ihren Problemen im Besonderen und der Welt im Allgemeinen zu verstehen, ist das ein innerfamiliärer Konflikt. Dieser mag zwar anstrengend sein, doch in der Regel finden Eltern und junge Heranwachsende nach der Sturm-und-Drang-Phase wieder zusammen, mit mehr Verständnis auf beiden Seiten. Anders zeigt sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt, wo mehrere Generationen aufeinander treffen. Das Vertrauen in ältere Beschäftigte nimmt stetig ab, Erfahrung scheint keine belastbare Währung mehr zu sein, weder für Arbeitgeber noch für jüngere Kollegen.

2

Wie brisant ist die mangelnde Wertschätzung älterer Mitarbeiter?

Die Zahlen zur Altersstruktur der Erwerbstätigen in Deutschland sind alarmierend. Wie das Statistische Bundesamt im Dezember 2022 veröffentlichte, wird sich die Anzahl der Rentner in den kommenden zehn Jahren um ca. vier Millionen erhöhen. Dem gegenüber steht die Zahl der Erwerbstätigen, die stetig sinken wird. Vor dem Hintergrund dieser Prognosen kann eine Wirtschaft nicht auf Erwerbstätige, egal welchen Alters, verzichten. Statt also ältere Mitarbeiter verfrüht in Rente zu schicken und ihren Unterhalt finanzieren zu müssen, ist es auch ein gesellschaftliches Anliegen, die Arbeitskraft aller Erwerbstätigen bestmöglich zu nutzen.

Neben der Finanzierung der Renten spielt auch der Fachkräftemangel für Arbeitgeber in Deutschland eine große Rolle. Bereits jetzt finden viele Unternehmen weder Auszubildende noch neue Mitarbeiter. Laut Bundesagentur für Arbeit ist der demografische Wandel maßgeblich dafür verantwortlich, dass es Unternehmen schwerer fällt, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Viele Branchen suchen oftmals vergeblich nach neuem Personal. Wer also bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern die Generation der älteren Beschäftigten ignoriert, fischt in einem künstlich verknappten Teich und reduziert damit seine Chancen.

Heterogene Teams sind erfolgreicher

Diskriminierung aller Art ist schädlich und das betrifft auch die Altersdiskriminierung. Nicht nur die Betroffenen selbst leiden, auch für das Unternehmen birgt Diskriminierung innerhalb der Belegschaft oder durch die Geschäftsführung Gefahren. Der Imageschaden für ein Unternehmen könnte verheerend sein. Dabei gewinnen Unternehmen durch Vielfalt im Team. Denn heterogene Teams sind kreativer und erfolgreicher als ihre homogenen Pendants. Die Zusammenarbeit verläuft zwar konfliktreicher und bietet mehr Reibungsfläche, eben weil unterschiedliche Erfahrungen, Meinungen und Visionen aufeinanderprallen. Allerdings macht genau diese Reibung das Ergebnis aus. Insbesondere jüngere Mitarbeiter befürchten, dass veraltete Denkweisen und Arbeitsweisen im Unternehmen dem Fortschritt im Wege stehen und möchten daher den Älteren das Ruder nicht allein überlassen. Ältere Mitarbeiter halten mit ihrer Erfahrung und Routine dagegen. Dieser Mix bringt Dynamik ins Team. 

Lesetipps:

 

Ein Mann und zwei Frauen unterhalten sich vor einem PC.
Ein Mann und zwei Frauen unterhalten sich vor einem PC.
3

Ursachen für Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz – Vorurteile

Älteren Mitarbeitern, denen bestimmte Aufgaben nicht mehr zugetraut werden, fällt der Gegenbeweis schwer. Und auch jüngeren Arbeitnehmern wird häufig mangelnde Kompetenz unterstellt. Oftmals sind es lediglich Vorurteile, die ihnen das Arbeitsleben schwer machen:

4

Zu alt – und nun?

Wer Arbeitnehmern sagt, sie seien zu alt für den Beruf, nimmt gleich mehrere Nachteile in Kauf. Unternehmen riskieren den Verlust wertvoller Erfahrungen und Expertise, wenn sie auf ihre Mitarbeiter über 50, 55 oder 60 Jahre verzichten oder ihre Demotivation zulassen. Wer ältere Mitarbeiter vom Arbeitsmarkt ausgrenzt, muss erst einmal adäquaten Ersatz finden. Denn neben der Herausforderung, überhaupt neues Personal zu finden, zählen auch Qualifikationen, die unabhängig vom Alter vorhanden sein sollen. Was bringt der Mittdreißiger dem Unternehmen, wenn er zwar das gewünschte Alter, aber nicht die entsprechende Ausbildung und Nachweise besitzt oder Schlüsselkompetenzen vermissen lässt? Die Eignung eines Mitarbeiters einzig an sein Alter, aber nicht an seine Qualifikationen und sozialen Fähigkeiten zu knüpfen, ist gefährlich. So wird wertvolles Potenzial verschenkt.

Sie denken über einen Jobwechsel nach? Lesen Sie hier mehr zum Thema Jobwechsel mit 50+

Gesetzliche Regelungen zum Schutz vor Altersdiskriminierung

Wer von Altersdiskriminierung betroffen ist, kann sich in Deutschland auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berufen und seinen Arbeitgeber auf Schadensersatz verklagen. Im Paragraf 10 wird eine zulässige Behandlung wegen des Alters aufgeführt. Grundlage für das AGG bildet die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU, die bereits zwischen 2002 und 2004 vom Rat der Europäischen Union beschlossen wurde. Wer sich beraten lassen möchte, kann dies bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes tun.

Erlaubte Altersdiskriminierung

Nur in bestimmten Fällen ist eine Diskriminierung aufgrund des Alters zulässig, wie folgende Beispiele zeigen.

Für Piloten gelten für die Ausübung ihres Berufs Al­ters­gren­zen, da eine nachlassende Leis­tungsfähig­keit besondere Gefahren birgt. 

Des Weiteren sieht das Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz vor, dass für das Führen bestimmter Fahrzeuge im beruflichen Kontext Mindestaltersgrenzen von 18 bzw. 21 Jahren gelten. Diese Form von Altersdiskriminierung von gewerblichen Lkw- und Busfahrern ist somit zulässig.

Ein lächelnder Mann sitzt in einem LKW.
Ein lächelnder Mann sitzt in einem LKW.
5

Maßnahmen gegen Altersdiskriminierung am Arbeitsplatz

Was können Unternehmen tun, um Altersdiskriminierung von vornherein auszuschließen? Sowohl die Unternehmensleitung als auch die Kollegen sollten sich kritisch hinterfragen, denn Ausgrenzung aufgrund des Alters kann auf allen Ebenen stattfinden. Ob sich das Personalbüro einen belastbaren jungen Mitarbeiter auf der Position wünscht oder für die Buchhaltung jemand Jüngeren mit einer vermeintlich besseren digitalen Kompetenz, der sich auch an privaten Gesprächen besser beteiligen könnte: Sensibilität für das Thema ist auf allen Ebenen gefragt.

Grundsätzlich nimmt die Gefahr von Altersdiskriminierung ab, wenn die Belegschaft bunt gemixt ist. Arbeitet der 20-Jährige mit dem 55-Jährigen zusammen oder finden sich im Team Kollegen aller Altersstufen, führt das nicht nur zu einem besseren Ergebnis, weil alle von den Stärken der anderen profitieren, sondern minimiert auch die Ausgrenzung älterer Kollegen. Achtet die Führungsetage darauf, dass bei Fortbildungen und Schulungen alle Mitarbeiter dabei sind, unabhängig vom nahen Renteneintritt, öffnet sich erst gar keine Schere zwischen dem Know-how der einzelnen Altersgruppen. Ein effektives Mittel, jüngere und ältere Generationen zusammenzubringen und voneinander lernen zu lassen, sind Mentoring- und Reverse-Mentoring-Programme

Zu guter Letzt macht auch das tägliche Miteinander viel aus. Weder sollte der junge Azubi als zu unerfahren und wenig qualifiziert klein gehalten noch der ältere Mitarbeiter als Methusalem bezeichnet und ausgegrenzt werden. Wer regelmäßig in Teambuildingmaßnahmen investiert, fördert die Gemeinschaft aller, unabhängig vom Alter.

Mit einer lebensphasenorientierte Personalpolitik machen Unternehmen ihre Mitarbeitenden zufriedener, motivierter und produktiver.

mehr erfahren
6

Fazit

Beschäftigte aller Altersklassen leisten einen wertvollen Beitrag zum Teamerfolg. Hierbei macht der Mix aus Kompetenzen, Erfahrungsschatz und Persönlichkeit die Zauberformel aus. Vieles, was Menschen in bestimmten Lebensphasen nachgesagt wird, sind Vorurteile. Sie können bestätigt werden, müssen es aber nicht – denn jeder Arbeitnehmer ist individuell und hat unabhängig vom Alter eine ganz persönliche Arbeitseinstellung, Offenheit für Neues sowie kognitive Fähigkeiten. Wenn Unternehmen einen Weg finden, vorurteilsfrei mit dem Thema Alter umzugehen, profitieren sie hinsichtlich der Arbeitsergebnisse und der Zukunftsfähigkeit ihres Betriebs.

Lesetipp

Während die meisten Arbeitnehmer den Beginn ihres Ruhestands herbeisehnen, beginnen "Silver Worker" zu diesem Zeitpunkt erst richtig durchzustarten. Der Begriff bezieht sich auf Menschen im fortgeschrittenen Alter, die entweder weiterhin berufstätig sind oder sogar eine neue Karriere beginnen.  Lesen Sie mehr über die Gründe für eine Karriere im Alter und die Vorteile von Silver Workers!

weiterlesen
7

Fragen und Antworten

Hier finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen:

Eine lächelnde Frau
Eine lächelnde Frau