Zwischenmenschliche Kommunikation ist vielschichtig, sie kann zu Missverständnissen und sogar Streit führen. Das liegt zwar nicht nur, aber auch an den vier Seiten einer Nachricht – sagt Friedemann Schulz von Thun. Erfahren Sie hier, welches Kommunikationsmodell Schulz von Thun mit seinem 4-Ohren-Modell entworfen hat und wie Sie es auch im Arbeitsalltag optimal anwenden.

Die 4 Seiten einer Nachricht – Unterschiede bei Sender und Empfänger

Hören Sie gut zu – am besten gleich mit 4 Ohren. Denn Ihr Gegenüber spricht wahrscheinlich mit „4 Schnäbeln“. Laut „4-Ohren-Modell“ oder „4-Seiten-Modell“ des Psychologen, Pädagogen und Philosophen Friedemann Schulz von Thun besteht jede Nachricht immer aus vier unterschiedlichen Ebenen oder eben vier Seiten. Diese vier Seiten einer Nachricht bilden das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun. Das zugehörige Kommunikationsmodell umfasst sowohl den Sender als auch den Empfänger einer Botschaft. Heißt: Sie kommunizieren bewusst oder unbewusst immer auf vier Ebenen oder mit „4 Schnäbeln“. Ihr Gesprächspartner hört dementsprechend mit „4 Ohren“. 

Das sind die 4 Seiten einer Nachricht laut Schulz von Thun Modell:

  1. Sachebene
    Hier dreht sich alles um Daten und Fakten, also um die reinen Sachinformationen, die in einer Nachricht enthalten sind. Mit seinem „Sachohr“ hört der Empfänger heraus, ob diese Informationen zutreffend, für ihn relevant und ausreichend sind. 
  2. Selbstkundgabe
    Ob Sie es wollen oder nicht, mit jeder Ihrer Äußerungen offenbaren Sie etwas über Ihre Persönlichkeit. Ihr Gesprächspartner wird versuchen, mit dem entsprechenden Ohr mehr über Sie zu erfahren, Ihre Werte, Ihre Gefühle und Ihre Stimmung. 
  3. Beziehungsebene
    Je nachdem, ob Sie mit Freunden oder Fremden, Vorgesetzten oder Kollegen sprechen, werden Sie Ihre Formulierung, Ihren Tonfall, Ihre Gestik und Mimik anpassen. Der Empfänger gleicht Ihre Signale mit seiner Wahrnehmung der Beziehung zu Ihnen ab – und fühlt sich entweder wertgeschätzt oder abgelehnt.
  4. Appellebene
    Normalerweise möchten Sie mit Ihrer Botschaft beim Empfänger auch etwas erreichen, ihn zu einer Handlung, einem Gefühl oder einem Gedanken bewegen. Auch das tun sie entweder gewollt oder unbewusst. Ihr Gegenüber versucht, diesen Appell zu entschlüsseln. Auch hier gilt, je klarer Sie Ihre Aufforderung formulieren, desto unmissverständlicher wird sie.

Warum Kommunikation oft zu Missverständnissen führt

Menschen gewichten die vier Seiten einer Nachricht (Kommunikationsquadrat) in der Regel unterschiedlich. Sie „hören etwas heraus“, was vom Absender so vielleicht gar nicht gemeint war. Trotz oder gerade wegen der vier Ohren. Andererseits möchte der Absender auf einer Ebene etwas vermitteln, was der andere einfach nicht wahrnimmt. Das gilt vor allem dann, wenn sich die Gesprächspartner nicht gut kennen oder die Hierarchieebene unterschiedlich ist. Dann wächst die Fallhöhe zwischen der eigentlich gemeinten und der verstandenen Nachricht. Und das führt oft zu Missverständnissen. 

eine Frau sitzt auf einer Couch, eine andere an einem Tisch, beide arbeiten am Laptop und sprechen miteinander
eine Frau sitzt auf einer Couch, eine andere an einem Tisch, beide arbeiten am Laptop und sprechen miteinander

Lesetipp: Kommunikationsfähigkeit

Eine wichtige Kernkompetenz im Job ist Kommunikationsfähigkeit. Lesen Sie, was darunter zu verstehen ist und wie Sie Ihre Kommunikationsfähigkeit stärken.

mehr erfahren

Ein Beispiel für das Kommunikationsquadrat

Der Chef sagt zum Mitarbeiter: Für unsere Präsentation haben wir noch bis Ende der Woche Zeit, dann muss alles fertig sein. 

Was der Chef gemeint hat:

  1. Sachebene: Die Präsentation muss Freitag fertig sein.
  2. Selbstkundgabe: Wir sind ein gutes Team und schaffen das.
  3. Beziehungsebene: Toll, dass Sie Vollgas geben. Kann ich noch helfen? 
  4. Appellebene: Bitte Prioritäten setzen und die Zeit im Blick haben.

Was der Mitarbeiter verstanden haben könnte:

  1. Sachebene: Ich muss Freitag fertig sein und mich beeilen.
  2. Selbstkundgabe: Ich lasse die Timings schleifen und engagiere mich nicht genug.
  3. Beziehungsebene: Ich kenne die Deadline doch, warum ist noch so viel zu tun und warum schaffe ich so wenig?
  4. Appellebene: Ich muss fokussierter arbeiten und vielleicht Überstunden machen.

Besser kommunizieren: Das Kommunikationsquadrat im Arbeitsalltag 

Keine Sorge: Trotz aller Missverständnisse, die laut Friedemann Schulz von Thun im Miteinander entstehen können, eröffnet das Schulz von Thun Modell vor allem auch die Möglichkeit, die zwischenmenschliche Kommunikation zu optimieren. 

Um das zu erreichen, müssen sich beide Gesprächspartner über die 4 Seiten einer Nachricht bewusst sein und möglichst auf denselben Ebenen kommunizieren. 

Gerade die Kommunikation mit Kollegen und Vorgesetzten ist im 4-Ohren-Modell nicht immer einfach. Zwar ist die Sachebene in der Regel eindeutig, auf den anderen drei Ebenen gibt es dagegen viel Interpretationsspielraum: Sie wollen nicht zu viel von sich selbst preisgeben? Ihr Verhältnis zu anderen Kollegen ist nicht ganz klar? Sie tun sich schwer mit Aufforderungen von anderen? 

Hier ein paar Tipps, wie Sie das Kommunikationsquadrat anwenden können, um Fehlinterpretationen zu vermeiden und im Arbeitsalltag insgesamt besser zu kommunizieren:

  • Formulieren Sie Sachverhalte klar, deutlich und direkt. So bleibt auf der Sachebene weniger Interpretationsspielraum.
  • Achten Sie bewusst auf Ihre Körpersprache und besonders darauf, dass Sie das, was Sie sagen möchten, unterstreichen. Das gilt auch für Online-Meetings.
  • Verzichten Sie auf Andeutungen oder ironische Bemerkungen, solange Sie Ihr Gegenüber nicht wirklich hundertprozentig einschätzen können.
  • Versteckte Hinweise oder unterschwellige Vorwürfe sollten Sie ganz aus Ihrem Repertoire streichen. Sagen Sie im Zweifel lieber offen und sachlich, was aus Ihrer Sicht nicht passt.
  • Das Gleiche gilt auch für Ihre Wünsche und Bedürfnisse. Sagen Sie, was Sie gerne möchten und was Ihnen weiterhilft, und formulieren Sie dies klar.
  • Sie sind nicht sicher, ob Sie eine Nachricht richtig verstanden haben? Fragen Sie nach! Andersherum können Sie sich auch vergewissern, ob Ihre Aussage beim Gegenüber richtig angekommen ist.
  • Bedenken Sie, dass in der Schriftform viele Informationen „zwischen den Zeilen“ verloren gehen. Der direkte Kontakt und das persönliche Gespräch bieten Ihnen mehr Möglichkeiten, bewusst mit allen „vier Schnäbeln“ à la Schulz von Thun zu sprechen. 

Fazit

Sie kennen das Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun nun besser und haben die 4 Seiten einer Nachricht verinnerlicht? Dann steigen Ihre Chancen, dass Sie in Zukunft besser kommunizieren – ob im Job oder im Privatleben. Seien Sie sich aber auch darüber im Klaren, dass der Erfolg zwischenmenschlicher Kommunikation nicht allein von Ihnen abhängt. Vielmehr beeinflusst etwa auch die Komplexität eines Themas den Gesprächserfolg, ebenso wie Stimmungen, Körpersprache, kognitive Fähigkeiten, Gesundheitszustand und, wer weiß, vielleicht sogar das Wetter. Nicht zuletzt sollte bestenfalls auch Ihr Gegenüber auf das  4-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun setzen. 

Kommunizieren Sie ganz bewusst. Dazu gehört auch, dass Sie nicht nur reden, sondern auch aktiv zuhören. Nur so können Sie die vier Seiten einer Nachricht wirklich erfassen. Und vergessen Sie nicht: Sie haben nicht zwei Ohren, sondern vier.

Lesetipp: 5 Axiome nach Watzlawick

Die 5 Axiome nach Watzlawick veranschaulichen die Dynamik zwischenmenschlicher Kommunikation und beleuchten auch Störfaktoren. Erfahren Sie das Wichtigste über das Watzlawick Kommunikationsmodell und kommunizieren Sie besser im Job.

weiterlesen